Neuer Vorstoß gegen das Koma-Trinken bei Jugendlichen: Die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing will künftig einen Anti-Alkohol-Unterricht.
Berlin. Im Kampf gegen das Koma-Trinken bei zehntausenden Jugendlichen hat die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing flächendeckenden Schulunterricht für gesundes Leben vorgeschlagen. „Wir können so etwas beginnen in den Schulen“, sagte die SPD- Politikerin. „Ziel wäre es, dass alle Kinder in den Genuss der Präventionsarbeit kommen.“ Der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützte die Forderung nach einem Schulfach für mehr Lebenskompetenz und Alkoholvorbeugung. Mehr als 23 000 Kinder und Jugendliche kamen der jüngsten Erhebung zufolge im vergangenen Jahr im Alkohol-Koma ins Krankenhaus.
Bätzing schlug ein Schulfach für mehr Lebenskompetenz, Stressbewältigung, Alkoholvorbeugung und gesunde Ernährung vor. „Wir können so etwas beginnen in den Schulen, es gibt solche Programme bereits für Kindergärten“, sagte Bätzing in Berlin. „Ziel wäre es, dass alle Kinder in den Genuss der Präventionsarbeit kommen.“ Der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützte diese neuerliche Forderung. „Wenn die Elternhäuser das offenbar nicht mehr leisten können, muss der Staat das teilweise übernehmen“, sagte Geschäftsführer Gerd Landsberg.
Als erstes müssten laut Landsberg die Lehrer dafür besser ausgebildet werden: „Fragen sie doch mal einen Gymnasiallehrer, ob er jemals in seiner Ausbildung gelernt hat: Wie gehe ich mit Drogenkonsum um? Wie gehe ich mit Alkoholkonsum um?“ Bätzing stimmte darin überein, dass dies für Lehrer heute oft eine Herausforderung sei. Sie rief die zuständigen Bundesländer dazu auf, Voraussetzungen zu schaffen. „Man kann den Lehrern das nicht obendrauf drücken“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur dpa. Kommunen greifen Krankenkassen.
Bätzing und Landsberg zeichneten ein dramatisches Bild. „Das Ziel ist es, schnellstmöglich einen Rauschzustand zu erlangen mit möglichst billigem Alkohol“, sagte die SPD-Politikerin. Immer mehr Mädchen betränken sich. „Das Problem verschärft sich“, sagte Landsberg. Junge Menschen steuerten auf „lebenslang Hartz IV“ zu, sagte der Ex-Richter. Massiv griff Landsberg die gesetzlichen Krankenkassen an. Sie gäben nur 18 Cent pro Jahr und Versicherten für Alkoholprävention aus – viel zu wenig, wie er meint.
In einem Positionspapier unterstützt der Städte- und Gemeindebund Vorschläge, „den Verkauf von Alkohol an Tankstellen, Kiosken und Supermärkten nach 22 Uhr bis 5 Uhr morgens zu verbieten“. Als erstes Land will Baden-Württemberg das Verbot zum Jahreswechsel gegen massive Proteste von Tankstellenpächtern einführen. Andere Länder sollten das nachahmen. Landsberg räumte gleichwohl „eine gewisse Hilflosigkeit“ ein, die aus solchen Verboten spreche. Vorbeugung sei besser. Mit Unverständnis reagierte Landsberg darauf, dass es nicht mehr Testkäufe etwa durch jugendlichen Polizeischüler gebe. Das Verbot des Schnaps-Verkaufs an Jugendliche müsse durchgesetzt werden. Mit einem Sixpack zum Bushäuschen
Alkoholmissbrauch ist Bundesregierung und Kommunen zufolge auch eine dramatischer werdende Folge sozialer Verwerfungen und knapper werdender öffentlicher Mittel. Landsberg forderte mehr finanziellen Freiraum für Anti-Alkohol-Programme in den Kommunen. Deren Etat werde oft fast vollständig für die gesetzlichen Pflichtaufgaben aufgezehrt. Der erwartete Anstieg der Arbeitslosigkeit verschärfe die Lage. Bätzing warnte vor wegbrechenden Angeboten für Jugendliche. „Wenn sie vor Ort kein Jugendzentrum, keine Freizeiteinrichtung mehr haben, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie mit einem Sixpack zum Bushäuschen gehen.“
Bätzing führte Vorbilder für Suchtvorbeugung im Unterricht an. Im Schuljahr 2008/09 nahmen zum Beispiel über 325000 Kinder aus 13900 Grundschulklassen bundesweit an dem Projekt „Klasse2000“ teil. Lehrer und Gesundheitstrainer von außen bereiten Schüler dabei auf ein möglichst drogen- und alkoholfreies Leben vor