In der Nacht beschlossen Bundestag und Bundesrat die umstrittenen Gesetze zur Euro-Rettung. Jetzt müssen Karlsruher Verfassungsrichter urteilen.
Berlin. Bundestag und Bundesrat haben grünes Licht gegeben - jetzt hängt das Maßnahmenpaket zur Euro-Rettung vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht ab. Sofort nach Verabschiedung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM und des Fiskalpakts für weniger Schulden gingen am Sonnabend in Karlsruhe Klagen ein. Die Linke und andere Kläger sehen einen gefährlichen Eingriff in die deutschen Haushaltskompetenzen und eine Aushebelung demokratischer Rechte. Bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts liegt die deutsche Ratifizierung auf Eis.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wies Befürchtungen zurück, über den ESM könnte Steuergeld leichtfertig eingesetzt werden. Leistungen werde es nur bei eigenen Anstrengungen der Länder geben, sagte Kauder der "Welt am Sonntag“. Das gelte für den Ankauf von Staatsanleihen wie auch für eine direkte Versorgung angeschlagener Banken über den ESM. "Der Bundestag hat immer das letzte Wort“, sagte er. "Zu einem Selbstbedienungsladen wird der ESM mit uns nicht werden“, so Kauder.
ESM und Fiskalpakt wurden in Bundestag und Bundesrat am Freitagabend gegen die Stimmen der Linken mit Zweidrittel-Mehrheiten beschlossen . Im Bundesrat stimmte nur das rot-rot regierte Brandenburg nicht dafür.
Bei den ESM-Abstimmungen im Bundestag verfehlte die schwarz-gelbe Koalition aber die Kanzlermehrheit von 311 Stimmen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann meinte dazu am Sonnabend: "Angela Merkel hat bei den Abstimmungen über den ESM gleich dreimal hintereinander die Kanzlermehrheit verfehlt.“ Dies betreffe die Abstimmungen am Freitag zur Ratifizierung des ESM, das Gesetz zur Finanzierung des ESM und den Vertrag über die Arbeitsweise der EU. "Das war kein Unfall. Angela Merkel hat schlicht keine eigene Mehrheit mehr für ihren Kurs.“ In einer Kanzlerdemokratie müsse in allen grundsätzlichen Fragen die Kanzlermehrheit stehen. "Wir erleben den Anfang vom Ende der Ära Merkel“, meinte Oppermann.
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Der Fiskalpakt verpflichtet Deutschland, im Bund, Ländern und Kommunen ausgeglichene Haushalte anzustreben. Ferner sollen die Unterzeichnerstaaten nationale Schuldenbremsen einführen – bei zu geringem Sparen könnte Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof auf Strafen verklagt werden. Der ESM mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro soll kriselnde Euro-Staaten unterstützen - Deutschland haftet mit 200 Milliarden Euro.
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Unmittelbar nach der Bundesratsabstimmung faxte die Linke ihre Klage nach Karlsruhe. Auch der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler ließ gegen Mitternacht seine Verfassungsbeschwerde von einem Boten an der Pforte des Gerichts abgeben. Zudem wurde die Beschwerdeschrift des Vereins "Mehr Demokratie“ eingereicht, der sich rund 12.000 Bürger angeschlossen haben. Die Klage wird von der früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und dem Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart vertreten. Die Eilverfahren dürften einige Wochen dauern.
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Wie geplant zum 1. Juli in Kraft treten kann der ESM wegen der Verfassungsklagen nicht - wird er von den Karlsruher Richtern gekippt, dürfte dies für Turbulenzen in der Eurozone sorgen. Sorgen - auch in den Fraktionen von Union und FDP - lösen zudem die Beschlüsse des EU-Gipfels aus. Denn künftig könnten auch marode Banken mit ESM-Geld versorgt werden, statt Staaten würden auch Banken mit Steuergeld gerettet. Hierüber müsste der Bundestag aber gesondert entscheiden, die SPD hat angekündigt, nicht mitziehen zu wollen.
Gauweiler betonte, Fiskalpakt wie ESM würden "in schwerwiegender Weise gegen das Demokratieprinzip verstoßen“. Däubler-Gmelin sagte: "Wir klagen gegen die Verträge, weil sie einen Demokratieabbau im doppelten Sinne bedeuteten. Zum einen werden unwiederbringlich Haushaltskompetenzen und Souveränitätsrechte des Bundestages nach Brüssel abgegeben. Dadurch wird das Bundestags-Wahlrecht entwertet.“ Zum anderen laufe die Ratifizierung hektisch und an der Bevölkerung vorbei. Auch Linke-Fraktionschef Gregor Gysi monierte im Bundestag, dass die Budgethoheit des Parlaments gravierend eingeschränkt werde.
Merkel sagte vor den Abstimmungen in einer Regierungserklärung, der Bundestag mache der Welt mit seinem Votum deutlich: "Wir stehen zum Euro.“ Die Kanzlerin hatte SPD und Grüne mit der Zusage einer Finanztransaktionssteuer und eines Milliardenprogramms für Wachstumsimpulse auf ihre Seite gebracht. Den Ländern sicherte sie unter anderem zu, etwaige Strafzahlungen bei zu hoher Verschuldung für sie zu übernehmen.
Mit Material von dpa