In einer dramatischen Nacht haben die Euroländer auf Druck Italiens und Spaniens Nothilfen zur Stützung von Euro-Wackelkandidaten beschlossen.
Brüssel. Es war eine lange und turbulente Nacht. Der EU-Gipfel stellt Spanien und Italien Nothilfen in Aussicht. Krisenländer bekommen künftig leichter Kredite aus dem Rettungsfonds – auch dank Kanzlerin Merkel. Wie das alles genau funktionieren soll, ist noch offen.
Durchbruch nach einem 13 Stunden langen Nervenkrieg: Auf Druck Italiens und Spaniens hat der EU-Gipfel am Freitag in Brüssel Nothilfen zur Stützung von Euro-Wackelkandidaten beschlossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel lenkte nach hartem Ringen ein und kam den Krisenländern entgegen. Diese sollen künftig leichter auf den Euro-Rettungsfonds zugreifen können – und dabei weniger Auflagen erfüllen müssen. Der Rettungsfonds soll zudem Banken aus hochverschuldeten Ländern direkt Hilfen gewähren und damit deren Staatshaushalte entlasten. Im Gegenzug stimmten Spanien und Italien nach anfänglicher Blockade einem Konjunkturprogramm von 120 Milliarden Euro zu.
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Die Einigung gelang nach einer turbulenten Nachtsitzung. Die unter Druck der Finanzmärkte stehenden Länder Spanien und Italien pokerten hoch. Die Kanzlerin kam ihren Widersachern, Italiens Premier Mario Monti und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, entgegen. In einem anderen Punkt blieb Merkel hart: Nach ihrem klaren Nein tauchen gemeinsame Anleihen (Eurobonds) nicht im Kommuniqué des Gipfels auf.
Die Bundeskanzlerin verteidigte die Beschlüsse: „Wir sind unserer Philosophie, keine Leistung ohne Gegenleistung, treu geblieben“, sagte Merkel am Freitag bei der Ankunft zur zweiten Gipfelrunde. „Insofern bleiben wir also vollkommen in unserem bisherigen Schema: Leistung, Gegenleistung, Konditionalität und Kontrolle.“ Merkel muss am frühen Nachmittag nach Berlin zurückreisen, um an der Abstimmung zum Fiskalpakt und Rettungsfonds ESM im Bundestag teilzunehmen.
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Die Märkte reagierten auf die Schnellmaßnahmen positiv: Die Zinsen an den Anleihemärkten gingen am Morgen deutlich zurück.
Laut Gipfelerklärung einigten sich die Regierungschefs darauf, die bestehenden Instrumente der Hilfsfonds EFSF und ESM „flexibel“ zu nutzen, um die Staatsanleihenmärkte zu stabilisieren. Italien und Spanien leiden derzeit unter hohen Zinsen und haben akute Schwierigkeiten, sich frisches Geld an den Märkten zu besorgen. „Wir bekräftigen, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen,“ heißt es in der Erklärung.
Länder mit guter Haushaltsführung können vom Sommer an – ohne zusätzliche Sparprogramme – Unterstützung aus den Rettungsschirmen EFSF und ESM erhalten, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Sie müssen dafür lediglich den Haushaltsempfehlungen der EU-Kommission folgen. Details sollen die Euro-Finanzminister bei ihrem nächsten Treffen am 9. Juli festlegen.
Der Krisenfonds ESM soll Banken künftig direkt unterstützen dürfen. Bislang war das laut ESM-Vertrag nicht möglich, sondern das Geld sollte an die Regierung des jeweiligen Landes überwiesen werden. Das würde die Schulden der Staaten erhöhen, weswegen Italien und Spanien dagegen protestiert hatten.
Voraussetzung dafür ist aber laut Erklärung, dass vorher eine einheitliche Bankenaufsicht in der Euro-Zone geschaffen wird, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) eine zentrale Rolle spielen soll. Merkel sprach von einer „Superaufsichtsbehörde“ für Europas Banken.
Auf der Agenda stand am Freitag unter anderem die Gewalt in Syrien. Auch über das Mandat des luxemburgischen Regierungschefs Jean-Claude Juncker als Vorsitzender der Eurogruppe sollte entschieden werden. Juncker dürfte weitermachen, allerdings nach eigenen Worten nicht mehr die volle Amtszeit von zweieinhalb Jahren. Damit ist endgültig Finanzminister Wolfgang Schäuble aus dem Rennen.
Juncker zeigte sich mit dem Gipfelergebnis zufrieden. „Es geht hier nicht um erpressen, es geht nicht um Sieger, Besiegte, Gewinner, Verlierer, wir bemühen uns hier gemeinsam.“
Ein weiterer Teil des Notpakets kommt Spanien zugute. Das Land hat beim EFSF bereits europäische Finanzhilfen für seine angeschlagenen Geldhäuser beantragt – im Gespräch ist eine Summe von bis zu 100 Milliarden Euro. Die Chefs vereinbarten, dass – wenn diese später auf den ESM übertragen werden – der neue Krisenfonds ESM in bestimmten Fällen auf seinen Status als „bevorzugter Gläubiger“ verzichtet. Bei diesem Sonderstatus würde der Krisenfonds bei einer Pleite bevorzugt bedient – solche Regelungen schrecken private Investoren ab.
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Der Gipfel einigte sich darauf, an der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion weiter zu arbeiten. Grundlage war ein Bericht von EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy. „Wir haben uns auf das weitere Verfahren geeinigt“, sagte Rompuy in der Nacht. Ein erster Zwischenbericht soll bis Oktober vorgelegt werden. Teile des Berichts wie Forderungen nach einem Machtverzicht und die langfristige Vergemeinschaftung der Schulden hatten erheblichen Widerspruch vor allem aus Deutschland hervorgerufen.
(dpa/abendblatt.de)