Euro-Rebellen gescheitert: Rösler setzt sich beim Euro-Entscheid mit 54 Prozent durch. Ob das die angeschlagene FDP zusammenhält, ist fraglich.
Berlin. "Wir starten durch“ lautet die Devise von FDP-Chef Philipp Rösler. Aufatmen in der FDP-Spitze: Rösler hat sich beim Euro-Mitgliederentscheid überraschend durchgesetzt – und hofft nun abermals auf einen Neustart. „Wir werden jetzt Schluss machen mit der internen Diskussion (...) und starten dann durch in das Jahr 2012“, sagte er am Freitag. Die Mitgliederbefragung zu dem von Kanzlerin Angela Merkel mit den Euro-Ländern vereinbarten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM konnte die Parteiführung mit 54,4 Prozent für sich entscheiden. 44,2 Prozent unterstützten das Nein zum ESM von Euro-Rebell Frank Schäffler. Dieser sicherte der Parteispitze für die Europapolitik künftig mehr Solidarität zu.
Der zuletzt durch den unerwarteten Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner belastete Parteichef kann nun wieder auf Aufwind hoffen. Viele FDP-Politiker zeigten sich erleichtert und sehen Rösler gefestigt. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: „Das stärkt Philipp Rösler.“
Der Stabilitätsmechanismus ESM soll Mitte 2012 den befristeten derzeitigen Euro-Rettungsfonds EFSF ablösen. Bei beiden Fonds geht es um Kredite von mehreren hundert Milliarden Euro.
++ Heftige Kritik an Rösler aus den eigenen Reihen +++
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte seine Partei zu einem sorgsamen Umgang mit der FDP. Er sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag): „In einer Koalition ist man immer klug beraten, auf den Partner Rücksicht zu nehmen – insbesondere dann, wenn er in einer schwierigen Situation ist.“ Allerdings wird gerade Schäuble mitunter ein zu harter Umgang mit Rösler vorgehalten. Laut ZDF-Politbarometer verharrt die FDP in der Wählergunst bei vier Prozent.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht die FDP-Führung vor einem Scherbenhaufen. Das Abstimmungsergebnis beweise die Spaltung der Partei. Knapp die Hälfte der Mitglieder lehne den Kurs von Parteiführung und Regierung ab. Rösler bleibt für ihn ein Parteichef auf Abruf. Ähnlich äußerte sich Linksparteichef Klaus Ernst. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: „Es ist ein dramatischer Realitätsverlust, wenn die FDP dieses Ergebnis als Erfolg feiert.“
Rösler sagte: „Wir haben das starke Votum der Basis für den Kurs der FDP in Regierungsverantwortung. Wir werden jetzt (...) geschlossen und gemeinsam nach vorne schauen.“ Es sei einmal mehr die Linie der schwarz-gelben Regierung bestätigt worden. „Und damit auch die des Bundesvorstands.“ Die FDP bleibe eine proeuropäische Partei.
Das Quorum wurde knapp verfehlt, der Entscheid hat damit nicht den Status eines Parteitagsbeschlusses. Allerdings sind die Bundestagsabgeordneten bei Abstimmungen im Parlament in ihrer Entscheidung ohnehin grundsätzlich frei. Um das Quorum zu erreichen, wäre die Beteiligung von einem Drittel der 64 500 FDP-Mitglieder nötig gewesen. Die Quote wurde mit 31,5 Prozent verfehlt, es gingen 19.930 gültige Stimmen ein. 21 503 wären nötig gewesen.
Schäffler sagte: „Ich will dazu beitragen, dass die FDP gestärkt aus diesem Mitgliederentscheid hervorgeht und die Gräben wieder zugeschüttet werden, die naturgemäß in der Schlussphase des Mitgliederentscheids aufgetreten sind.“ Die knappe Entscheidung beweise, wie wichtig es gewesen sei, die Partei zu befragen und die Basis mitzunehmen bei dem schwierigen Prozess der Euro-Rettung. Er setze darauf, dass die FDP das Instrument des Mitgliederentscheids künftig flexibler und besser ausgestaltet werde.
Der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, es sei das Ziel des gesamten FDP-Vorstandes, dass sich die 8800 Schäffler-Unterstützer in der Partei weiterhin heimisch fühlten. Hätte sich Schäffler mit der Ablehnung des ESM durchgesetzt, wäre die FDP im Parlament in einen Loyalitätskonflikt geraten. Entweder hätte sie für den ESM und damit gegen die eigene Partei oder aber gegen den ESM und damit gegen die eigene Regierung stimmen müssen.
Bis zu einem umstrittenen Interview Röslers am vorigen Wochenende waren nach Parteiangaben rund 16 500 Antworten eingegangen. In dem Interview hatte Rösler den Mitgliederentscheid vor Ablauf der Frist bereits für gescheitert erklärt, weil das Quorum vermutlich nicht erreicht werde. Den Zahlen nach zu urteilen hat er mit dieser Provokation Mitglieder in den Schlusstagen noch mobilisiert, sich an der Befragung zu beteiligen. Rösler bedauerte seine Äußerung nun.
Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) sagte im RBB, die FDP-Spitze habe sich zu wenig für den Euro-Rettungskurs der Regierung engagiert. FDP-Präsidiumsmitglied und Entwicklungsminister Dirk Niebel hielt dagegen, hochgerechnet auf die alle Mitglieder bedeute das Votum, dass nur 13,4 Prozent gegen den ESM gestimmt hätten.