Deutschland hat dem Land Unterstützung bis 2024 zugesichert, doch es soll mit politischen Reformen zeigen, dass es die verdient.
Bonn. Die internationale Gemeinschaft hat von Afghanistan Gegenleistungen für langfristige Milliardenhilfen gefordert. Bundeskanzlerin Angela Merkel und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drängten Präsident Hamid Karsai auf der Bonner Afghanistan-Konferenz, den Kampf gegen Drogenhandel und Korruption voranzubringen.
Merkel mahnte am Montag auch weitere Anstrengungen im politischen Versöhnungsprozess mit den Taliban an: „Lösen können dieses Problem nur die Afghanen selber.“ US-Außenministerin Hillary Clinton verlangte politische Reformen und verwies auf die knappen Kassen der Geberländer.
Zehn Jahre nach der ersten Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg beraten in Bonn rund 1000 Delegierte aus 85 Ländern und von 15 Organisationen über die Zukunft Afghanistans nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen 2014. Den Vorsitz führt der afghanische Präsident Karsai.
In seiner Rede zum Konferenzbeginn sagte er, sein Land sei nach 2014 noch mindestens zehn weitere Jahre auf internationale Hilfe angewiesen. Karsai fügte aber hinzu: „Die Afghanen wollen die Großzügigkeit der internationalen Gemeinschaft nicht einen einzigen Tag länger als absolut notwendig in Anspruch nehmen.“
Unmittelbar vor der Konferenz hatte Karsai fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr als Größenordnung für die internationale Hilfe ins Gespräch gebracht. Sein Finanzminister Omar Sakhilwal sagte am Rande der Konferenz, die nach 2014 benötigte Hilfe werde sich auf „einen Bruchteil“ der derzeitigen internationalen Militärausgaben belaufen. Diese lägen bei mehr als 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Auf der Konferenz sollen keine konkreten Zahlen festgelegt werden. Dazu soll im kommenden Jahr eine Geberkonferenz in Tokio einberufen werden.
Merkel sagte, Afghanistan könne sich auch nach 2014 auf die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft verlassen. Allerdings würden sich die Schwerpunkte dann auf die Ausbildung von Sicherheitskräften, Entwicklungszusammenarbeit, wirtschaftlichen Aufbau und den Versöhnungsprozess verlagern. Außenminister Guido Westerwelle sagte Afghanistan deutsche Hilfe bis mindestens 2024 zu.
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US-Außenministerin Clinton machte politische Reformen zur Bedingung für weitere Hilfszusagen. „Viele der hier versammelten Länder sehen, dass auch die internationale Gemeinschaft mit Budgetzwängen zu kämpfen hat“, sagte sie. „Wir sind hier in Bonn, weil jeder von uns Verantwortung trägt, der er nachkommen muss, wenn wir erfolgreich sein wollen.“
Überschattet wird die Konferenz vom Boykott Pakistans. Die Regierung in Islamabad sagte ihre Teilnahme nach einem Nato-Angriff auf zwei Militärposten ab, bei dem 24 pakistanische Soldaten getötet worden sein sollen. Clinton bedauerte die Absage. „Die gesamte Region ist an der Zukunft Afghanistans interessiert und hat viel zu verlieren, wenn Afghanistan wieder eine Quelle des Terrorismus und der Instabilität wird.“
Der zweite mächtige Nachbar Afghanistans, der Iran, war in Bonn trotz des eskalierenden Atomstreits vertreten. Außenminister Ali Akbar Salehi forderte den Abzug aller ausländischen Soldaten aus Afghanistan. Die Präsenz der Nato-geführten Schutztruppe Isaf habe nicht zu Frieden und Sicherheit in Afghanistan geführt, sagte er.
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Der iranische Außenminister warf den internationalen Soldaten auch Angriffe auf Zivilisten vor. „Wir sollten noch einmal einen Appell an die internationale Gemeinschaft richten, in Zukunft auf solche Übergriffe zu verzichten.“ Auch UN-Generalsekretär Ban mahnte die von der Nato geführten Isaf-Truppen, das Leben unschuldiger Zivilisten nicht zu gefährden.
Die zuversichtliche Einschätzung der Nato zur Sicherheitslage in Afghanistan wurde nicht von allen Delegierten geteilt. „Leider glaube ich nicht, dass wir viel Grund zum Optimismus haben, da die Lage in Afghanistan doch beunruhigend ist“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Nach Nato-Angaben ist die Zahl der Angriffe Aufständischer in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Nach Statistiken der Vereinten Nationen (UN) hat die Gewalt in Afghanistan in diesem Jahr dagegen erneut dramatisch zugenommen.
Die Bonner Afghanistan-Konferenz in Zahlen
- 85 Länder nehmen offiziell teil
- 15 Organisationen begleiten die Konferenz.
- 57 Außenminister sind im Bonner Kongresszentrum WCCB versammelt.
- Rund 1000 Delegierte debattieren über die Zukunft Afghanistans.
- Die afghanische Staatsdelegation hat etwa 80 Mitglieder einschließlich Journalisten und Sicherheitsleuten.
- Bis zu 4000 Polizeibeamte sind rund um die Konferenz im Einsatz.
- Etwa 2000 Menschen demonstrierten am Wochenende in Bonn gegen den Afghanistan-Krieg. (dpa/dapd)