Inmitten einer schiitischen Festgesellschaft sprengte sich der Attentäter in Kabul in die Luft und tötete mit seinem Akt beinahe 60 Menschen.
Kabul. Eine pakistanische Terrororganisation hat sich zu dem Bombenanschlag auf schiitische Gläubige in der afghanischen Hauptstadt Kabul bekannt. Das teilte ein Sprecher der Organisation Lashkar e-Jhangvi al-Alami am Dienstag mit. Die Terrorgruppe wurde in der Vergangenheit für zahlreiche Anschläge auf Schiiten in Pakistan verantwortlich gemacht. Übergriffe auf das Nachbarland Afghanistan waren bislang nicht bekannt.
Als sich ein Selbstmordattentäter inmitten einer Gruppe schiitischer Muslime in die Luft sprengte, riss er 54 Menschen mit sich in den Tod. Bei dem Anschlag während des religiösen Festes Aschura wurden am Dienstag außerdem mindestens 160 Menschen verletzt. Der Angriff war einer der verheerendsten auf Zivilisten, seitdem die Taliban in Afghanistan vor zehn Jahren gestürzt wurden. Bei einem weiteren Anschlag in Masar-i-Scharif kurze Zeit später starben vier Menschen. Einen Tag nach der internationalen Konferenz in Bonn, auf der die internationale Gemeinschaft Afghanisten auch nach dem Abzug der ausländischen Kampftruppen Ende 2014 Unterstürtzung zugesichert hatte, eskalierte die Gewalt.
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Die Taliban wiesen jegliche Verantwortung für die Anschläge von sich. Es handle sich um brutalen Taten von Feinden, sagte ein Sprecher der radikalen Islamisten. Unter den Opfern in Kabul befanden sich Kinder und Frauen, wie die Polizei mitteilte. Der Sprengsatz detonierte bei einem Schrein im Zentrum der Altstadt, wo sich hunderte Gläubige versammelt hatten. Zunächst wurden 54 Tote gezählt, es wurde aber damit gerechnet, dass die Zahl der Opfer weiter steigt. Bei einem Besuch in Berlin verurteilte der afghanische Präsident Hamid Karsai den Anschlag als „Terrorismus in abscheulicher Gestalt“. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Tat zeige, dass weiter harte Arbeit nötig sei, um die Sicherheit in Afghanistan zu gewährleisten. Deshalb unterstütze Deutschland das Land nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bei dem innerstaatlichen Versöhnungsprozess.
"Sie haben meinen Sohn getötet"
Vor einem Krankenhaus in Kabul versammelten sich trauernde Angehörige der Opfer. Eine Frau mit dunklem Kopftuch umklammerte einen blutbefleckten Sportschuh: „Sie haben meinen Sohn getötet - dies ist sein Schuh“, rief sie weinend.
Kurz nach dem Anschlag in Kabul explodierte in der Nähe der wichtigsten Moschee im nordafghanischen Masar-i-Scharif eine auf einem Fahrrad befestigte Bombe. Vier Menschen wurden getötet, 17 weitere verletzt. Zunächst war unklar, ob sich der Angriff ebenfalls gegen schiitische Gläubige richtete. In Masar-i-Scharif befindet sich auch ein Feldlager der Bundeswehr. Ein Taliban-Sprecher verurteilte die Anschläge als „grausam, willkürlich und un-islamisch“.
In Kandahar im Süden wurde eine auf einem Motorrad deponierte Bombe gezündet. Offiziellen Angaben zufolge wurden drei Zivilisten verletzt. Es bestand aber offenbar keine Verbindung zu den beiden anderen Anschlägen.
Aschura gilt als wichtigstes religiöses Fest schiitischer Muslime. Dabei wird des Märtyrertodes von Mohammeds Enkel Hussein in der Schlacht von Kerbela im heutigen Irak im Jahr 680 gedacht. Afghanistan blickt auf eine lange Geschichte der Spannungen und Gewalt zwischen Sunniten und der schiitischen Bevölkerungsminderheit zurück. Aber seit dem Sturz der Taliban ist das Land im Gegensatz zum Nachbarn Pakistan weitgehend von derart folgenschweren Anschlägen verschont geblieben. „In Afghanistan war 30 Jahre Krieg und es sind furchtbare Dinge passiert“, sagte Kate Clark vom Afghanistan Analysts Network. Religiös motivierte Anschlage dieses Ausmaßes habe es aber nicht gegeben. Es sei nicht bekannt, wer hinter dem Anschlag stecke, ergänzte Clark. Wenn es doch die Taliban gewesen seien, sei es dies eine sehr ernste, gefährliche und besorgniserregende Entwicklung.
Nato verurteilt Selbstmordanschläge
Die internationale Schutztruppe Isaf hat die Anschläge auf schiitische Muslime während des Aschura-Festes scharf verurteilt. Die Attacke an einem der heiligsten Tage im islamischen Kalender sei „ein Angriff auf den Islam selbst“, sagte der amerikanische Isaf-Kommandant General John Allen am Dienstag in Kabul. „Wir verurteilen diese Verbrechen aufs schärfste“, fügte er hinzu.
Bei dem Anschlag in Kabul wurden mindestens 50 Menschen getötet, mehr als 100 weitere Menschen wurden nach Angaben der Polizei verletzt. General Allen rief Taliban-Führer Mullah Omar auf, diesen „grotesken Terrorakt“ zu verurteilen. Die Aufständischen müssten wissen, dass die Ermordung unschuldiger Pilger zu ihrem eigenen Ende führen werde, so Allen. Die sunnitischen Taliban wiesen die Verantwortung für die Anschläge zurück.
Mit Material von dpa/reuters