Ahmet Davutoglu will in Deutschland auch über Zahlungen an Angehörige sprechen. Range und Ziercke wollen über Nazi-Terror informieren.
Berlin/Karlsruhe. Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Ermittlungen zur Thüringer Nazi-Terrorzelle will die Bundesanwaltschaft am Donnerstag die Öffentlichkeit umfassend über den Stand der Ermittlungen informieren. Generalbundesanwalt Harald Range und der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, haben zu einer Pressekonferenz in Karlsruhe eingeladen.
Am Dienstag war mit Ralf Wohlleben ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung "Nationalistischer Untergrund“ (NSU) in Untersuchungshaft genommen worden. Der Gruppe werden unter anderem neun Morde an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern, ein Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn sowie mehrere Sprengstoffanschläge zur Last gelegt. Derzeit sitzen drei mutmaßliche Helfer der Gruppe in Untersuchungshaft, außerdem die 36 Jahre alte Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe. Die zwei weiteren mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich am 4. November das Leben genommen.
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Am Donnerstag trifft der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu bei einem Deutschlandbesuch Angehörige der Mordopfer. Dabei will er nach Angaben türkischer Medien auch über Entschädigungszahlungen des deutschen Staates sprechen. Davutoglu startet seine viertägige Rundreise in Hamburg. Danach sind Stationen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern und Berlin geplant.
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Das türkische Generalkonsulat in Hamburg betonte auf Anfrage, Davutoglus Termine in der Hansestadt seien "privat“. Öffentlich werde er sich lediglich am Vormittag mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Rathaus treffen. Weitere Stationen von Davutoglus viertägigem Deutschlandbesuch sind nach Angaben des Außenministeriums in Ankara die Städte Wiesbaden, Frankfurt, Friedberg, München, Berlin, Köln, Düsseldorf und Bonn. Die NSU-Männer Böhnhardt und Mundlos sollen 2001 auch den türkischen Gemüsehändler Süleyman Tasköprü in der Schützenstraße in Hamburg-Bahrenfeld erschossen haben.
"Außenminister Davutoglu reist in die Bundesrepublik aus Anlass der bevorstehenden Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn. Im Rahmen dieser Reise besucht er auch einige Bundesländer, darunter Hamburg, um mit Angehörigen der Opfer der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle zusammenzutreffen“, hieß aus dem Hamburger Senat. Davutoglu selbst hatte vor seiner Reise angekündigt: "Ich werde vier Tage lang von Stadt zu Stadt reisen und mit unseren Bürgern reden.“
In zwei Jahren mMehr als 800 Waffen sichergestellt
Am Mittwoch wurde unterdessen bekannt, dass die Behörden in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren mehr als 800 Waffen bei Rechtsextremisten sicher gestellt haben. Das gehe aus einer aktuellen Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, schreibt die "Berliner Zeitung" in ihrer Mittwochausgabe. Demnach wurden dem Bundeskriminalamt (BKA) 2009 und 2010 insgesamt 811 Waffenfunde aus dem Bereich der rechtsextrem motivierten Kriminalität gemeldet. Unter den sichergestellten Waffen waren in den vergangenen Jahren laut BKA auch 15 Faustfeuerwaffen, 16 Langwaffen und sogar 8 Kriegswaffen. In den vergangenen zwei Jahren fand die Polizei bundesweit zudem 40 Spreng- und Brandvorrichtungen bei rechtsextremen Gruppierungen.
Auch Gas-, Luft- und Schreckschusswaffen wurden im selben Zeitraum 34 Mal sicher gestellt. Bundesweit fanden die Beamten 331 Hieb- und Stichwaffen bei Rechtsextremen sowie 210 Reizgaswaffen wie etwa Pfeffersprays.
"Immer mehr Waffenfunde bei Neofaschisten beweisen, dass die militante Rechte massiv aufrüstet", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, der Zeitung. Waffenfunde bei Neonazis dürfen nicht länger als unpolitische Sammelleidenschaft von Waffennarren verharmlost werden. Jelpke forderte, dass Neonazis nun auch der Zugang zu legalen Waffen, wie er etwa über die Mitgliedschaft in Reservistenvereinigungen und Schützenverbänden möglich ist, abgeschnitten werden müsse.
Auch organisatorisch rüsten die Rechtsextremen offenbar auf: Im Bereich der rechtsextrem motivierten Kriminalität sind laut Bundesinnenministerium seit 2001 elf Fälle von kriminellen Vereinigungen und acht Fälle von terroristischen Vereinigungen registriert. Laut Statistik der Bundesanwaltschaft werden seit dem Jahr 2001 gegen 13 Gruppierungen Verfahren nach Paragraf 129 a ("Bildung einer terroristischen Vereinigung") geführt.
Mit Material von dpa und dapd