Hamburger Wahlverwandtschaft - Helmut Schmidt trommelt immer lauter für eine Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück.
Hamburg. "Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein", mit diesen Anzeigen förderte der umstrittene Unternehmer Carsten Maschmeyer 1998 den politischen Aufstieg seines Freundes Gerhard Schröder (SPD) ins Bundeskanzleramt. Helmut Schmidt muss keine Anzeigen für seinen Favoriten schalten, er ist ein gefragter Gast in Talkshows, Diskussionsrunden und bei Preisverleihungen. Seit einigen Tagen hat der "Weltökonom" neben seiner politischen Sicht der Dinge noch eine weitere Botschaft: "Der nächste Kanzler muss ein Hamburger sein."
Einen Sozialdemokraten hält er für besonders befähigt, gegen Angela Merkel anzutreten: Peer Steinbrück. Der ehemalige Finanzminister ist seit Langem mit dem Altkanzler befreundet - nun haben die beiden ein gemeinsames Buch geschrieben, das am 27. Oktober bei Hoffmann & Campe erscheinen wird. Die beiden Schachfreunde, die seit Jahren gegeneinander spielen, haben es "Zug um Zug" genannt und plaudern darin über die Partei, das Land, seine Eliten und die Auswüchse des Raubtierkapitalismus. Und zwischen diesen Buchdeckeln geht es immer wieder auch um die Botschaft: "Steinbrück muss Kanzler werden".
Am Donnerstagabend bestätigte der Altkanzler bei der Verleihung des Helmut-Schmidt-Journalistenpreises im Hotel Atlantic, dass der 64-Jährige der richtige Mann in Zeiten der Finanzkrise ist. "Steinbrück kann es - er kann die Themen so erklären, dass die Menschen sie verstehen." Die Reichweite des Finanzpolitikers Steinbrück gehe über die seiner Partei hinaus, er strahle die nötige Überparteilichkeit aus, die einen Kanzler ausmache.
Diese Botschaft dürfte schon bald - davon ist angesichts der PR-Maschinerie um die Buchpräsentation auszugehen - omnipräsent sein. Am Sonntag treten Schmidt und Steinbrück gemeinsam auf dem Rathausbalkon des deutschen Fernsehens auf: Unter dem freundlichen Titel "Klartext in der Krise" hat Günther Jauch am Sonntagabend (ARD, 21.45 Uhr) die beiden zu Gast - nur die beiden übrigens. In Hamburg spielen sich Schmidt und Steinbrück erst am kommenden Sonntag im Thalia- Theater die Bälle zu, einen Tag dann im Berliner Ensemble.
Angesichts des medialen Echos wächst bei der SPD-Linken die Nervosität, dass die K-Kampagne beim Wahlvolk verfangen könnte. Immerhin belegt Steinbrück, der Sohn eines Hamburger Architekten, trotz seines Rückzugs aus der ersten Reihe im aktuellen Deutschlandtrend Platz zwei der beliebtesten Politiker - knapp hinter Wolfgang Schäuble (CDU), weit vor Angela Merkel (CDU). Das ist gefährlich für jene Sozialdemokraten, die am liebsten in der Opposition der reinen Lehre frönen. "Wir brauchen einen Kandidaten, der das Programm der Partei in allen Teilen glaubwürdig vertreten kann und möchte", meckerte jüngst der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt in der taz. "Solange Peer Steinbrück in Teilen weiter die Politik aus der Zeit vor der Finanzkrise vertritt, hat die SPD ein Glaubwürdigkeitsproblem."
Solange die SPD so tickt, hat dafür Angela Merkel ein Problem weniger. Und auch eine Kampagne wie einst 1998, "der nächste Kanzler muss ein Hamburger sein", kann sie nicht schrecken: Schließlich kommt die Kanzlerin - aus der Hansestadt.