Altkanzler Helmut Schmidt und SPD-Schwergewicht Peer Steinbrück erklären die Welt. Jauch war wieder Gast in der eigenen Talkshow.
Berlin/Hamburg. Rekord für den neuen ARD-Talker Günther Jauch: 5,61 Millionen Menschen sahen die Sendung mit Altkanzler Helmut Schmidt und Peer Steinbrück am Sonntagabend nach dem Tatort. Das war ein Marktanteil von 18,9 Prozent, die beste Einschaltquoten für Jauch nach seinem Wechsel zur ARD. Das bestätigte eine Jauch-Sprecherin gegenüber abendblatt.de. Bei Angela Merkels Besuch bei Jauch schauten 4,29 Millionen Menschen zu (15,3 Prozent Marktanteil). 5,1 Millionen Zuschauer hatte Jauch bei seiner Premiere am 11. September.
Der Rauch von Mentholzigaretten umwehte den Star-Moderator. Fassungslos wie bei falschen Antworten auf die 50-Euro-Frage bei „Wer wird Millionär“ saß Günther Jauch in seinem Stuhl. Dass im deutschen Fernsehen noch vor Kameras geraucht werden darf, war auch für ihn ungewohnt. Doch einer darf: Helmut Schmidt, 92, Bundeskanzler von 1974 bis1982, Welterklärer und einer derjenigen, dem die Deutschen zuhören. Schmidt hatte seinen Schachpartner Peer Steinbrück mitgebracht, ehemals Finanzminister und – wer weiß – womöglich SPD-Kanzlerkandidat 2013. Und wo Rauch ist, ist auch Feuer. Schmidt schlug Steinbrück vor, Jauch hakte nach, doch biss bei Steinbrück auf Granit. Er werde erst was sagen, wenn man ihn fragen, das habe Steinbrück mit SPD-Parteichef Sigmar Gabriel verabredet.
Jauch machte kaum Punkte. Dabei war er gut vorbereitet und zauberte sogar einen Wahlkampfspot mit Helmut Schmidt aus den Fünfzigern aus dem Archiv und damit ein Lächeln auf Schmidts Gesicht. Doch an dem Waldorf&Statler-Duo Schmidt/Steinbrück prallte jede Nachfrage, jedes kritische Detail ab wie Fett an der Teflon-Pfanne. Altkanzler Schmidt erklärte zur Euro-Krise: „Es war nicht ganz einfach für die Bürger zu durchschauen, was ihnen die Politiker an Lösungen anbieten. Demokratie ist nicht nur meinungsabhängig, sondern immer auch stimmungsabhängig.“ Mit den Griechen ging er hart ins Gericht: „Eine griechische Regierung nach der anderen hat die Europäische Union getäuscht.“
Und mit dem Blick aufs große Ganze warnte Schmidt: „Die griechische Wirtschaft ist in einer Depression. Wir wissen noch nicht, wie lange die griechische Demokratie das noch aushält.“ Er hätte in seiner Kanzlerschaft Griechenland nicht in eine Euro-Zone aufgenommen, von der man damals nur träumen konnte. Und, ja, er habe Verständnis für die Bewegung Occupy Wall Street: „Die Frage, ob ich Verständnis habe, kann ich uneingeschränkt bejahen.“ Ob sich der Protest lohnt, müsse man sehen. „Die jungen Leute können ja keine Gesetze machen.“ Das war nicht die klassische Schmidt-Schnauze, aber die so rationale, eiskalte Analyse, dass Moderator Jauch fast festfror auf seinem Stuhl.
Schmidt sprach sich bei Jauch für seine Verhältnisse emotional für Steinbrück als Kanzlerkandidaten aus: „Er ist der geeignete Mann, weil wir im Augenblick politische Führer brauchen, die wissen, worüber sie sprechen. Er ist einer von denen.“ Steinbrück schwieg leise lächelnd. „Das Gespräch läuft völlig an mir vorbei“, sagte er dann ironisch zu Jauch. Dann aber: „Ich werde mich äußern, wenn und falls der SPD-Vorsitzende mir die Frage stellt.“
Steinbrück geißelte die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Die Krisenstrategie entpuppt sich als erfolglos. Das Diätprogramm für die schwachen Länder bringt diese eher ins Grab als auf die Beine.“ Man brauche dringend eine Regulierung der Finanzinstitute: „Wir hatten den Banken schon einmal den Hintern gerettet.“ Schmidt und Steinbrück geben zur besten Sendezeit nach dem Tatort im Ersten eine Volkshochschulstunde in Finanz-ABC. Das war nicht belehrend, es war unterhaltsam. Und es war erstaunlich, wie messerscharf Altkanzler Schmidt auch in hohem Alter noch bei Verstand ist.
Als ihm einmal der Name einer in Europa völlig unbekannten amerikanischen Bank nicht sofort einfiel, schaute er zu Steinbrück, der ihm gleich beispringen wollte. Doch dann kam Schmidt selber drauf, führte sein Beispiel aus, zog Parallelen zu anderen Fällen und machte Punkt um Punkt. Unterhaltsamer als die Pressekonferenz bei EU-Gipfel in Brüssel mit Angela Merkel und Nicolas Sarkozy war dieses Abendprogramm allemal. (ryb)