Wachsende Kinderarmut, Bildungshindernisse für Migranten und starkes Ost-West-Gefälle bei der Arbeitslosigkeit - Vereinte Nationen in Sorge.

Berlin. Das Erwerbslosen Forum Deutschland (EFD) teilt die Kritik der Vereinten Nationen an der deutschen Sozial- und Bildungspolitik. Tatsächlich fehle ein wirksames Armutsbekämpfungsprogramm, denn die Grundsicherung von Hartz IV-Beziehern gewähre keinen angemessenen Lebensstandard, erklärte die Initiative am Mittwoch in Bonn. Der Uno-Sozialausschuss hatte in einem bereits im Mai veröffentlichten Staatenbericht unter anderem ein Programm zur Armutsbekämpfung angemahnt. Auch würden in Deutschland Zuwanderer im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, so der Ausschuss.

Das Erwerbslosen-Forum kritisierte, dass die Bundesregierung die Uno-Stellungnahme als vorläufig betrachte und sich erst später dazu äußern wolle. In Deutschland gebe es seit Jahren eine "dramatische Verarmung und Diskriminierung von Menschen“, erklärte Forumssprecher Martin Behrsing. "Wenn jeder vierte Schüler bei uns ohne Frühstück zur Schule geht, ist das ein Armutszeugnis.“ Daran ändere auch das Bildungspaket nichts, hieß es. Es sei von vorneherein so angelegt, "dass die Inanspruchnahme für Kinder und Eltern höchst peinlich ist“.

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Bericht: Jedes vierte Kind ohen Frühstück zur Schule

Am Mittwoch waren Details aus einem vorläufigen Bericht der Vereinten Nationen zur sozialen Lage in Deutschland öffentlich gemacht worden. Demnach würden viele Kinder und Migranten benachteiligt, außerdem fehle es an einem umfassenden Armutsbekämpfungsprogramm. Das Bundessozialministerium wies die Kritik als "in weiten Teilen nicht nachvollziehbar“ zurück.

Der zuständige Uno-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bemängelte, dass in Deutschland jedes vierte Kind ohne Frühstück zur Schule geht. Nachdrücklich fordern die Uno-Experten "konkrete Maßnahmen“, damit "Kinder, besonders aus armen Familien, richtige Mahlzeiten erhalten“, ohne dass die Kinder "stigmatisiert“ werden.

Der Ausschuss registriert "mit Sorge“, dass 13 Prozent der deutschen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt – darunter 2,5 Millionen Kinder – und 1,3 Millionen Menschen trotz Arbeit staatliche Unterstützung benötigen. Notwendig sei ein nationales Programm gegen Armut.

Die Uno-Experten beklagen zudem, dass sich Migranten nach wie vor großen Hindernissen bei Bildung und Beschäftigung gegenübersähen. Asylsuchenden würden sogar ausreichende Sozialleistungen versagt, dabei müssten sie "im Einklang mit internationalen Normen“ den gleichberechtigten Zugang zu sozialen Sicherungssystemen, zur Gesundheitsversorgung und zum Arbeitsmarkt erhalten.

Uno: Arbeitslosigkeit im Osten doppelt so hoch wie im Westen

Besorgt ist das Uno-Gremium auch, dass die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland immer noch doppelt so hoch ist wie im Westen. Positiv hervorgehoben werde in dem Bericht, dass die Arbeitsmarktreformen den niedrigsten Stand der Arbeitslosen in den vergangenen 20 Jahren ermöglicht hätten. Beim Zugang zu Jobs sehen die Uno Frauen wegen "klischeehafter Vorstellungen der Geschlechterrollen“ benachteiligt.

Erheblich ausgebaut werden müssten in Deutschland Angebote für Kinder, Behinderte, Ältere und Kranke. So würden in Pflegeheimen viele Bewohner "in menschenunwürdigen Bedingungen leben“. Viele frühere Empfehlungen seien nicht umgesetzt worden, moniert der UN-Ausschuss.

Das Bundessozialministerium wies die Kritik als "nicht durch wissenschaftliche Fakten belegt“ zurück. Deutschland habe in den vergangenen Jahren auch im Sozialbereich eine positive Entwicklung genommen, die weltweit hoch anerkannt sei, sagte eine Sprecherin in Berlin. "Es ist schade, dass der UN-Unterausschuss nahezu keine Fakten aus der umfangreichen Stellungnahme der Bundesregierung im Bericht berücksichtigt hat.“

EFD-Sprecher Behrsing kritisierte: "Die Bundesregierung gaukelt seit Jahren den Menschen eine soziale Gerechtigkeit vor, die in Wahrheit eine dramatische Verarmung und Diskriminierung von Menschen ist.“

Memet Kilic, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen, erklärte: "In Deutschland gibt es keine Integrationsmisere, sondern eine Bildungs- und Chancengleichheitsmisere.“

Der Uno-Ausschuss wurde 1985 eingerichtet, um die Umsetzung der Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu überwachen. Die Unterzeichnerländer müssen dem Ausschuss alle fünf Jahre Bericht erstatten. Zweimal jährlich – im Frühjahr und Herbst - tagen die 18 Experten für mehrere Wochen in Genf, zuletzt im Mai. Auch der Uno-Menschenrechtsrat hatte in früheren Jahren schon die unzureichende Schulbildung für Kinder aus armen und ausländischen Familien kritisiert. (dpa/epd)