Die Bundesländer arbeiten bei der elektronischen Fußfessel zusammen, um als gefährlich geltende Ex-Straftäter weiter zu kontrollieren.
Wiesbaden. Gut, dass der Mann mit der elektronischen Fessel am Fuß nur Hans-Dieter Amthor war, Bewährungshelfer von Beruf und nicht etwa ein rückfallverdächtiger Schwerverbrecher mit ein paar Jahren Hafterfahrung. Im prächtigsten Saal des hessischen Justizministeriums sollte Amthor demonstrieren, was geschieht, wenn ein Fußfesselträger gegen die Auflagen verstößt. Wenn er also in für ihn verbotene Bereiche marschiert oder das elektronische Gerät gar von seinem Bein entfernen will.
Gestern unterschrieben Vertreter von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern in Wiesbaden einen Staatsvertrag für eine gemeinsame Zentrale der Bundesländer , um künftig bei der Überwachung als gefährlich geltender Ex-Straftäter mit einer elektronischen Fußfessel zusammenzuarbeiten. Bayern und Hessen hatten den Vertrag initiiert und schon unterschrieben. Er gehe davon aus, dass bis zum Jahresende fast alle Bundesländer dabei seien, sagte Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) bei der Präsentation.
+++ Fußfesseln: Gemeinsame Überwachungszentrale +++
Doch bei der Demonstration geschah zunächst einmal nichts. Amthor spurtete quer durch Wiesbaden, näherte sich, obwohl es ihm im Planspiel streng verboten war, dem Hessischen Landtag und verließ die Tabuzone auch wieder, ohne dass im Ministerium die Warnblinkanlage angesprungen wäre. Typisch Vorführeffekt eben. Dem entsprechenden Computer war es nicht gelungen, die entscheidende Internetverbindung herzustellen. Immerhin funktionierte das eigentliche Überwachungssystem fehlerfrei. Es zeichnete Amthors Weg Schritt für Schritt auf und meldete ihn an die Behörden. Und als er sich die Fessel mit einer Schere vom Bein schnitt, schlug das Gerät umgehend per SMS bei der Polizei Alarm.
Die elektronische Aufenthaltsüberwachung, wie es im Behördendeutsch heißt, soll eine Maßnahme unter mehreren werden, um weiter ein Auge auf ehemalige Straftäter mit hohem Rückfallrisiko haben zu können. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und später auch das Bundesverfassungsgericht hatten die bisherige Praxis der Sicherungsverwahrung gerügt und eine Reform angemahnt. Nach einer Gesetzesinitiative können Richter mittlerweile anordnen, dass Straftäter, die weiterhin als Risiko gelten, nach Verbüßung einer längeren Haft zwar entlassen werden, aber eine elektronische Fußfessel tragen müssen. Von 2012 an werden solche Personen dann länderübergreifend von einer gemeinsamen Zentrale aus überwacht. Sitz dieser Zentrale soll das hessische Bad Vilbel in der Nähe von Frankfurt/Main werden. Die Länder gehen derzeit von 450 bis 500 Menschen aus, die eine solche Fessel bekommen könnten.
Die Fessel, die an eine überdimensionierte Sportleruhr erinnert und am Fußgelenk oder am Arm getragen wird, kann nur von einem Richter angeordnet werden. Ein Sender meldet rund um die Uhr den Aufenthaltsort an die künftige Überwachungszentrale in Bad Vilbel, wo rund ein Dutzend Mitarbeiter im Dreischichtbetrieb arbeiten werden. Für jeden Ex-Häftling werden individuell Zonen definiert, von denen er sich fernhalten muss, etwa vom Wohnort seines Opfers. Zudem können Zeitvorgaben gemacht werden, etwa dass sich der Straffällige abends ab 20 Uhr zu Hause aufhalten muss.
Neu ist die Fußfessel nicht in Deutschland. In mehreren Ländern, darunter Baden-Württemberg, laufen Tests. In Hamburg ist bereits seit Ende Juni ein entlassener Strafgefangener mit elektronischer Fußfessel unterwegs. Und in Hessen ist die Fessel sogar schon seit einem Jahrzehnt im Einsatz. 899 Fälle habe es in dieser Zeit gegeben, sagte Minister Hahn und lobte die hohe Erfolgsquote Die Fußfessel, die künftig von Bad Vilbel aus überwacht werden soll, werden hingegen nur Täter tragen, die mindestens drei Jahre im Gefängnis abgesessen haben und nach Meinung von Psychologen und Richtern ein erhöhtes Rückfallrisiko haben.
Aus diesem Grund kritisieren die Polizeigewerkschaften das System. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, warf der Justiz sogar vor, "russisches Roulette" mit der Bevölkerung zu spielen. Die Fußfessel sei für gefährliche Gewalttäter ungeeignet, weil sie keine Straftaten verhindern könne, sondern nur Bewegungen registriere. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Frank Richter, sprach von einer "riskanten Beruhigungspille". Hahn wies das zurück und nannte die Fußfessel ein zusätzliches Mittel, um mehr Sicherheit zu schaffen.