An der CDU-Basis herrscht Empörung. Es ist nicht die erste Erschütterung der schleswig-holsteinischen Landespolitik
Hamburg. Auch so funktioniert das politische Geschäft: Noch bevor Christian von Boetticher gestern offiziell Stellung genommen hatte zu den Spekulationen um eine frühere Beziehung zu einem 16 Jahre alten Mädchen, zogen einige Mitglieder der CDU in Neumünster los - und überklebten den Namen des CDU-Landeschefs auf ihren Plakaten. Kameras des NDR filmten die Aktion. Reporter machten Notizen.
Am kommenden Wochenende will die CDU in Neumünster ihr Sommerfest an der Stadthalle feiern. Auch von Boetticher war auf den Plakaten angekündigt. Unter dem Motto "Heute für Morgen - Generationentour 2011" wollte er sich auf seiner Sommerreise durch Schleswig-Holstein für das Amt des Ministerpräsidenten empfehlen. Nun, so heißt es bei der CDU in Neumünster, rechne man nicht mehr damit, dass von Boetticher noch zum Fest an der Stadthalle erscheine. Er sei hier nicht mehr erwünscht, sagt Sabine Krebs, die Fraktionsvorsitzende der CDU im Rathaus von Neumünster. Auch Krebs hatte seinen Rücktritt erwartet.
Für Christian von Boetticher ist Krebs eine dieser zermürbenden Stimmen, die nun von der Basis der Partei in den Ortsverbänden kommen. Niemand stellt sich auf die Seite von Boettichers. Auch im Internet bei Facebook oder Twitter äußern sich Mitglieder der CDU entsetzt und schockiert
Der Koalitionspartner in Schleswig-Holstein hielt sich gestern mit Kommentaren zu den Spekulationen über das Privatleben von Christian von Boetticher zurück. "Wir stehen nicht in einer Koalition mit Christian von Boetticher, sondern mit der CDU", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki dem Hamburger Abendblatt. Was von Boetticher in seinem Privatleben mache, gehe die FDP nichts an. "Die CDU muss den Vorfall intern klären und schnell eine Lösung finden", hatte Kubicki schon vor der Sitzung der CDU-Spitze gefordert. Dann werde auch die FDP als Koalitionspartner der CDU in Kiel reagieren.
Auch die SPD sieht keinen Anlass, sich zum Privatleben der Konkurrenz zu äußern. Die SPD bereite die Landtagswahl im Mai vor und wolle mit Spitzenkandidat Torsten Albig erfolgreich einen neuen Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein stellen, erklärte SPD-Chef Ralf Stegner.
Neun Monate vor der Landtagswahl erlebt das politische Schleswig-Holstein damit einen neuen Skandal. Für das Bundesland ist es einer in einer langen Reihe, zu der auch die "Barschel-Affäre" und der "Heidemörder" gehörten. Bis heute ist der Tod des Ex-CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel nicht vollständig aufgeklärt. 1987 wurde er tot in der Badewanne eines Genfer Hotels gefunden.
2005 erreichte die SPD-Kandidatin Heide Simonis in vier Wahlgängen im Landtag nicht die erforderliche Mehrheit, um als Ministerpräsidentin weitermachen zu können. Bis heute ist offen, wer der "Heidemörder" war, der mit dem Stimmzettel für einen Machtwechsel auf Raten sorgte. Danach war die SPD nur noch kleiner Partner in einer Koalition mit der CDU. Eine Zeit, die vor allem durch Beleidigungen und Brüskierungen zwischen SPD-Chef Stegner und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen geprägt war.
Der Dauerstreit zwischen Carstensen und Stegner endete 2009 mit vorzeitigen Neuwahlen und einem knappen Sieg für CDU und FDP. Doch die Unruhe blieb. Das Landesverfassungsgericht ordnete die jetzt für 2012 geplante Neuwahl an, weil das Wahlrecht verfassungswidrig sei und nicht exakt genug den Wählerwillen wiedergebe. "Ein Trauerspiel", so bilanziert die Zeitung "Schleswig-Holstein am Sonntag" die Landespolitik nach den Spekulationen um von Boetticher.