Der SPD-Vorsitzende wirbt für “sozialen Patriotismus“ in Deutschland. Gabriel fordert ein Programm ,Zweite Chance' für Langzeitarbeitslose.
Berlin. Sigmar Gabriel fordert ein Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose und die Einbeziehung von Leih- und Zeitarbeit in die betriebliche Mitbestimmung. Der SPD-Vorsitzende sagte in einem Interview mit der "Bild am Sonntag": "In Deutschland existiert längst eine Unterschicht, die von der Politik nichts mehr erwartet. Und deshalb brauchen wir ein Programm ,Zweite Chance', mit dem wir denen helfen, die aus Hartz IV heraus wollen." Gabriel weiter: "Für solche Menschen, die sich anstrengen und etwas leisten, muss der Staat etwas tun."
Bei der Einführung von Leih- und Zeitarbeit forderte Gabriel mehr Mitspracherechte auf Arbeitnehmerseite: "Die Betriebsräte brauchen ein Mitbestimmungsrecht über die Zahl der Leih- und Zeitarbeiter in ihren Firmen." Außerdem ermutigte der SPD-Chef Leih- und Zeitarbeiter, notfalls ihre Rechte mit Streiks durchzusetzen: "Wir sollten auch Geringverdienern Mut machen: tretet in eine DGB-Gewerkschaft ein und lasst Euch beraten. Und wo es geht: streitet und streikt mit den Gewerkschaften für bessere Löhne."
Gabriel sprach sich erneut für einen gesetzlichen Mindestlohn sowie für eine öffentliche Auftragsvergabe ausschließlich an Unternehmen aus, die sich an Tarifverträge gebunden fühlten: "Jahrelang hat die Politik den Gewerkschaften Lohnzurückhaltung empfohlen. Jetzt müssen wir sie zu höheren Tarifabschlüssen ermutigen. Wir brauchen zweitens einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 bis 9 Euro. Und ein Gesetz, das für gleiche Arbeit auch gleichen Lohn sichert - egal ob jemand fest beschäftigt oder in Zeit- und Leiharbeit ist. Außerdem sollten öffentliche Aufträge mit Steuergeldern nur an Firmen gehen, die sich an Tarifverträge halten."
Gabriel warb zugleich für einen "sozialen Patriotismus" in Deutschland: "Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer, wirtschaftlicher Erfolg, der zugleich soziale Sicherheit schafft: das ist doch eine deutsche Erfolgsgeschichte. Viele selbsternannte Experten haben uns doch gesagt: Macht es wie die USA und setzt nur auf den Markt. Oder wie Großbritannien: Vergesst die Industrie, die Zukunft liegt nur in den Dienstleistungen. Wir haben unser Modell verteidigt und sind deshalb besser durch die Krise gekommen als viele andere Länder. Wir dürfen wieder stolz darauf sein."