Die Liberalen loben de Maizière. Doch die ersten Maßnahmen des Verteidigungsministers haben die Koalition verunsichert.
Berlin. Nach dem Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums sorgt die Bundeswehrreform für Unruhe in der Koalition. Union und FDP dringen auf ein Festhalten an den geplanten Maßnahmen, nachdem der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) angekündigt hatte, zuerst eine gründliche Lagefeststellung vorzunehmen.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte im Abendblatt, bei der Bundeswehrreform rasch für Klarheit zu sorgen. "Jetzt dürfen keine Zweifel genährt werden, die Aussetzung der Wehrpflicht stünde wieder zur Disposition", sagte Lindner. Alle Konzentration müsse der Attraktivität der neuen Bundeswehr gelten.
Die Bundeswehrreform habe mit dem neuen Verteidigungsminister Thomas de Maizière genau den richtigen Sachwalter, der klug analysieren und ohne regionalpolitische Scheuklappen bei Standortfragen entscheiden werde, lobte der FDP-Generalsekretär. Und er machte deutlich, dass die Liberalen mit der Personalie de Maizière besondere Hoffnungen verbinden. "Mit ihm hat die Union auch die Chance, wieder reformfreudiger aufzutreten", so Lindner.
Die ersten Äußerungen des neuen Verteidigungsministers hatten diesen Eindruck offenbar nicht erweckt. De Maizière hatte zwar betont, an der Reform festhalten zu wollen. Zugleich hatte er eingeschränkt: "Ich weiß um die Dringlichkeit, dennoch: Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche." Am Freitag hatte der Minister zudem Staatssekretär Walther Otremba, der unter Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für die Reform zuständig war, in den einstweiligen Ruhestand versetzt. De Maizières erste Handlungen brachten ihm umgehend eine Warnung von CSU-Chef Horst Seehofer ein: "Bei der Bundeswehrreform gibt es keinen Korrekturbedarf", sagte er "Bild am Sonntag". Die Reform werde weder verschoben noch verwässert, sondern wie geplant umgesetzt. "Nur weil der Minister wechselt, ist doch die Reform nicht falsch. Dazu steht die CSU", legte sich der Parteichef fest. Doch Seehofer will die Reform nicht ohne finanziellen Ausgleich unterstützen. Er forderte eine finanziell bessere Ausstattung der Reform und ein Sonderprogramm für Gemeinden, in denen Bundeswehrstandorte geschlossen werden müssen: "Also möglichst wenige Standorte schließen und mehr Geld in die Anwerbung von Nachwuchskräften für die Truppe stecken."
Nachwuchssorgen bei der Truppe beschäftigen auch den Wehrbeauftragten des Bundestags, Hellmut Königshaus. Der FDP-Politiker sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Im Moment ist die Bundeswehr keine attraktive Armee." Den Zeitplan für die Bundeswehrreform nannte Königshaus "sehr ehrgeizig" und forderte eine "B-Option" für den Fall, dass der bisherige Plan scheitern sollte.
Die Bundeswehrreform sieht vor, die Streitkräfte von einer Wehrpflichtarmee zum 1. Juli zu einem Freiwilligenheer umzugestalten. Außerdem soll die Truppe um rund ein Viertel von 25 000 auf maximal 185 000 Mann schrumpfen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe betonte im "Deutschlandfunk", es müsse jetzt konkretisiert werden, mit welchen Maßnahmen der freiwillige Dienst attraktiver gestaltet und die Armee gleichzeitig verkleinert werden könne. Die Werbung der Freiwilligen habe gerade erst begonnen, für Alarmismus bestehe kein Anlass.
Die FDP, die bei den Neubesetzungen im Bundeskabinett nur Zuschauer war, hofft nun auf größeren Reformwillen auch in den anderen unionsgeführten Ministerien. Die FDP erwarte von den neuen Ministern kräftige Impulse auch für die anderen Unionsressorts, "weil wir Reformtempo brauchen, um unseren Sozialstaat und das komplizierte deutsche Steuerrecht zu modernisieren", sagte Lindner. Es müsse der Ehrgeiz der christlich-liberalen Koalition sein, in jedem Jahr die Steuervereinfachung voranzubringen, forderte er. "Die Reform der Gewerbesteuer und die Vereinheitlichung der Unternehmenssteuer für Firmen verschiedener Rechtsformen gehört auf die Tagesordnung", so Lindner. Kein Verständnis zeigte der FDP-Politiker für die Diskussion zwischen CDU und CSU, ob die Union möglicherweise nicht solidarisch genug hinter dem zurückgetretenen Guttenberg gestanden habe. "Die Koalition hat allen Grund, selbstbewusst und mit neuer Tatkraft ihre Arbeit fortzusetzen, statt sich von einem rückwärtsgewandten unionsinternen Streit über angebliche Untreue ablenken zu lassen", ermahnte Lindner den Koalitionspartner.