Strauß, Schäuble, Gysi - in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es viele Beispiele für glanzvolle Comebacks von prominenten Politikern.
Hamburg. Auch das ist eine völlig neue Dimension an dem Fall Karl-Theodor zu Guttenberg: Schon bevor der zurückgetretene Baron aus Bayern aus seinem Amt als Verteidigungsminister offiziell entlassen worden ist, machen sich im Internet seine zahlreichen Anhänger für ein Comeback des CSU-Politikers stark.
Hoppla, da bin ich wieder! Was in der Vergangenheit bei zahlreichen prominenten Politikern Jahre dauerte, scheint im Facebook-Zeitalter nur noch eine Sache von Stunden. Aber sie wollen auch leibhaftig für ihr Idol Partei ergreifen: Für den Sonnabend haben die Guttenberg-Fans in 22 deutschen Städten zu Demonstrationen aufgerufen.
Für sie scheint es keine Frage zu sein, dass ihr Superstar auf die politische Bühne zurückkommt. Einzig der Zeitpunkt ist noch offen. Und auch der Hamburg Historiker Michael Philipp hält ein Comeback für wahrscheinlich. "Guttenberg wird zurückkommen, wenn er das will", sagt der Buchautor und Rücktrittsforscher.
Wenn man so will, fing alles mit Gustav Heinemann an. In der deutschen Politik gab es viele spektakuläre Rücktritte und ebenso eindrucksvolle Comebacks - der CDU-Innenminister war der erste. Heinemann war im September 1949 in das erste Kabinett von Bundeskanzler Konrad Adenauer berufen worden. Nur ein Jahr später, im Oktober 1950, trat der überzeugte Pazifist demonstrativ zurück, weil Adenauer den Westmächten ohne Wissen des Kabinetts einen Wehrbeitrag angeboten hatte. Heinemann befürchtete durch die Wiederbewaffnung eine Blockade der Deutschland-Politik. Er trat 1952 aus der CDU aus, gründete die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) und sah in der Neutralitätspolitik die einzige Chance zur Wiedervereinigung.
Bei den Bundestagswahlen 1953 scheiterte die GVP an der Fünf-Prozent-Hürde und löste sich 1957 auf. Gustav Heinemann trat in die SPD ein, wurde 1966 Justizminister und 1969 - im dritten Wahlgang - zum Bundespräsidenten gewählt. Der "Daily Telegraph" nannte ihn das "Aushängeschild eines anständigen Deutschen". Sein Verhältnis zum Staat zeigte sich in Heinemanns bekanntem Ausspruch: "Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau."
Genau wie Karl-Theodor zu Guttenberg musste auch der bis heute berühmteste CSU-Politiker, Franz-Josef Strauß, von seinem Amt als Verteidigungsminister zurücktreten - und feierte nach seinem Rücktritt seine größten politischen Erfolge.
Am 8. Oktober 1962 erschien der "Spiegel" mit der Titelgeschichte "Bedingt abwehrbereit", in der es auf 17 Seiten auch um das Manöver "Fallex 62" ging. Ergebnis: Die Notstandsplanung für die Bevölkerung und die Vorbereitungen auf den Ernstfall, so hohe Nato-Kreise in Paris, seien "völlig unzureichend" gewesen. Der CSU-Bundesinnenminister Hermann Höcherl wird mit den Worten zitiert: "Unter den gegenwärtigen Umständen hat fast keiner eine Chance."
Strauß witterte Landesverrat, Journalisten des Nachrichtenmagazins wurden verhaftet, die Büros der Redaktion insgesamt vier Wochen von Staatsschützern besetzt. Nach 103 Tagen wird "Spiegel"-Chefredakteur Rudolf Augstein im Februar 1963 als Letzter von elf Inhaftierten aus dem Gefängnis entlassen. Die Fäden im Hintergrund hatte Strauß gezogen, ohne den Justizminister informiert zu haben. "Ich habe mit der Sache nichts zu tun", beteuerte Strauß anfangs. Und musste später auf eindringliches Nachfragen im Bundestag einräumen, doch aktiv in der Sache agiert zu haben. Die "Spiegel"-Affäre führte zur Regierungskrise. Ein neues Kabinett wurde gebildet - ohne Strauß.
Doch bereits 1966 feierte FJS sein Minister-Comeback im Bonner Finanzministerium. 1978 wurde er bayerischer Ministerpräsident und zwei Jahre später sogar der Kanzlerkandidat der Union, unterlag aber gegen den sozialdemokratischen Amtsinhaber Helmut Schmidt.
Als möglicher Bundeskanzler, nach der Amtszeit von Helmut Kohl (CDU), galt auch der heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble. Doch im Jahr 2000 stolperte er über die CDU-Spendenaffäre. Ein Jahr zuvor wurde ein System geheimer Konten und illegaler Spenden in der Partei enthüllt. Schäuble geriet unter Druck, als seine Kontakte zu dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber bekannt geworden waren. Im Januar 2000 gab er zu, von Schreiber eine Parteispende über 100 000 Mark in bar entgegengenommen zu haben.
In einem Interview mit der "Zeit" hat Schäuble jetzt noch einmal gesagt, welchen Fehler er damals gemacht hat. "Ich habe im Bundestag falsch reagiert, als ich auf einen Zwischenruf hin nichts von der Spende gesagt habe. Aber das war mir in der Situation gar nicht bewusst. Ich hatte im Auftrag der Partei 1994 ein Spendenessen, an dem Herr Schreiber teilnahm. Am nächsten Tag kam er in mein Büro und sagte: Sie gefallen mir, hier sind 100 000 Mark, verwenden Sie sie, wofür Sie wollen. Klar, sagte ich, es geht gleich an die Partei, vielen Dank. Ich habe die Spende an die Schatzmeisterin weitergeleitet und noch gesagt: Schick dem Schreiber gleich eine Quittung, damit er weiß, ich habe das ordnungsgemäß für die Partei verbucht."
Später gab die Schatzmeisterin Frau Baumeister laut Schäuble zu, dass Schreiber "keine Quittung wollte und das Geld deshalb auch nicht in den Rechenschaftsbericht der Partei eingegangen ist". Schäuble sieht sich heute als "Opfer einer Intrige mit kriminellen Elementen". Er legte im Februar 2000 seine Ämter als CDU-Chef und Unions-Fraktionsvorsitzender nieder.
Schon zwei Jahre später wurde er wieder Fraktionsvize. In der großen Koalition danach war er von 2005 bis 2009 Innenminister und ist in der schwarz-gelben Bundesregierung als Chef des Finanzressorts heute einer der wichtigsten Mitstreiter von Kanzlerin Angela Merkel.
Das Gehen und Wiederkommen beherrschte auch der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann. Er war Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler, als er auf dem Briefpapier des Ministeriums Werbung für Einkaufswagen-Chips machte - das Produkt eines angeheirateten Vetters. Auch Möllemann musste zugeben, in der sogenannten Briefkopf-Affäre zunächst nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Am 3. Januar 1993 trat er von seinen Ämtern zurück.
Drei Jahre später war er wieder da. Wurde Landeschef der FDP, die in NRW 9,8 Prozent der Stimmen errang. Ruhig aber wurde es um Möllemann nie. Ein Israel-kritisches Flugblatt, Ermittlungen wegen Steuerhinterziehungen und illegale Parteispenden bescherten ihm permanent Schlagzeilen. Am 5. Juni sprang Jürgen W. Möllemann mit dem Fallschirm in den Tod.
Cem Özdemir und Gregor Gysi stolperten über Bonusmeilen. Als innenpolitischer Sprecher der Grünen musste Özdemir erst eine Affäre um den PR-Manager Moritz Hunzinger überstehen. Für Steuerrückzahlungen hatte der grüne Jungpolitiker den Kredit des umstrittenen Beraters in Anspruch genommen. Özdemir entschuldigte sich und nannte als einen Grund "Naivität". Als wenig später aber bekannt wurde, dass er dienstlich erworbene Bonusmeilen von Fluggesellschaften für Privatreisen genutzt hatte, reichten seine Entschuldigungen nicht mehr aus. Die steile grüne Karriere war gestoppt. Aber nur vorübergehend. Özdemir wurde ins Europaparlament gewählt, seit 2008 ist er zusammen mit Claudia Roth Bundesvorsitzender der Partei.
Auch Gregor Gysi musste im Sommer 2002 einräumen, in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter dienstlich gesammelte Bonusmeilen privat in Anspruch genommen zu haben. Er trat als Berliner Wirtschaftssenator zurück. Drei Jahre später trat er wieder an. Als Spitzenkandidat, zusammen mit Oskar Lafontaine, für das Linksbündnis aus PDS und WASG bei den vorgezogenen Bundestagswahlen. Und zum Fall Guttenberg verweist Gysi nun beinahe gnädig darauf, dass der CSU-Politiker mit seinen 39 Jahren ja noch sehr jung sei.