Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert die Länderchefs scharf und wirft ihnen Geldverschwendung bei Hartz IV vor.
Hamburg. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Vorschläge der Ministerpräsidenten von Bayern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz zur Hartz-IV-Reform scharf kritisiert. "Es ist nicht die Stunde von drei Ministerpräsidenten, die überlegen, wie sie möglichst viel Geld des Bundes ausgeben können", sagte die FDP-Politikerin dem Hamburger Abendblatt. "Die Hartz-IV-Verhandlungen müssen endlich wieder in die normalen Bahnen gelenkt werden." Niemand solle glauben, Hartz IV sei "der große Wahlkampfschlager".
Eine Erhöhung des Regelsatzes um acht statt um fünf Euro, wie sie die Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), Wolfgang Böhmer (CDU) und Kurt Beck (SPD) ins Gespräch brachten, lehnte Leutheusser-Schnarrenberger strikt ab. "Die Erhöhung des Regelsatzes um fünf Euro ist seriös berechnet. Ich habe kein Verständnis dafür, dass es plötzlich zugeht wie auf dem Basar", sagte sie. "Es wird weder auf acht noch auf 17 und schon gar nicht auf 23 Euro hinauslaufen. Politisches Kapital werden nicht diejenigen Parteien schlagen, die am längsten zocken können."
Der bayerische Ministerpräsident Seehofer verteidigte die eigenen Vorschläge. "Ich bin überzeugt, dass es in der Sache und gemessen an den finanziellen Größenordnungen der richtige Weg ist", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Die vorgeschlagene Erhöhung des Regelsatzes um acht Euro sei "keine Willkürrechnung". Die von der Bundesregierung vorgesehenen fünf Euro mehr beruhten auf der Preis- und Lohnentwicklung von 2009, die acht Euro auf der des ersten Halbjahrs 2010, so Seehofer. Die Zusatzkosten werden auf etwa 200 Millionen Euro geschätzt. Bei den bisherigen Hartz-Verhandlungen sind bereits Mehrausgaben für den Bund von fünf Milliarden Euro angeboten worden.
Auch in der Unionsfraktion wächst der Unmut über Seehofer. Selbst die CSU-Landesgruppe ist nicht bereit, eine Erhöhung des Regelsatzes um mehr als fünf Euro mitzutragen. Ein "Schlagabtausch" erscheine unausweichlich, hieß es in Führungskreisen der CSU-Landesgruppe. Entsprechend zurückhaltend wurden die Erfolgsaussichten der bevorstehenden Hartz-IV-Vermittlungsrunde beurteilt: "Wir haben eine hohe Skepsis, was die Gespräche am Sonntag angeht", hieß es.
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger forderte die Opposition auf, dem vorliegenden Angebot am kommenden Sonntag zuzustimmen. "Wir haben ein größeres Bildungspaket vereinbart, die Kommunen sollen für die Umsetzung zuständig sein, und beim Mindestlohn in der Zeitarbeit ist über das Arbeitnehmerentsendegesetz ein Weg eröffnet." Damit könnten SPD und Grüne "sehr gut leben". Die FDP-Politikerin wies die Schuld für die Verzögerungen der Opposition zu. "Es kann nicht sein, dass man sich in den Verhandlungen vor allem mit Dingen befasst, die nichts mit dem eigentlichen Vermittlungsverfahren zu tun haben", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Von Mindestlöhnen beispielsweise sei im Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht die Rede. "Die SPD ist verantwortlich für die Verzögerungen, weil sie immer neue Themen draufgesattelt hat", so die Ministerin.
Für Hartz-IV-Bezieher wird es auch im März noch keinen Vorschuss auf die geplante Anhebung des Arbeitslosengeldes II geben. Die von der Koalition geplante Erhöhung um fünf auf 364 Euro könne zum 1. März noch nicht ausgezahlt werden, weil die gesetzliche Grundlage dafür fehle, sagte gestern ein Sprecher des Arbeitsministeriums. Für die Zeit danach werde weiter geprüft, wie eine vorläufige Auszahlung rechtssicher begründbar sei. Die Bundesagentur für Arbeit hätte wegen des technischen Vorlaufs für die Erstellung der Bescheide bis Donnerstagabend grünes Licht bekommen müssen, um im März höhere Beträge auszuzahlen.
Die etwa 4,7 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher müssen auf die Erhöhung weiter warten, weil der Bundesrat der Hartz-IV-Reform bisher nicht zugestimmt hat. Union und FDP haben dort keine eigene Mehrheit und sind daher auf Stimmen von SPD oder Grünen angewiesen. In Koalitionskreisen wird nicht mehr ausgeschlossen, dass eine Einigung im Hartz-IV-Streit nur noch von den Parteichefs gefunden werden kann.