Annäherung zwischen Regierungsparteien und Opposition: Kompromiss bei Bildungspaket und Mindestlohn. Weiter Streit um Zeitarbeiterlöhne.
Berlin. Im Streit um die Hartz-IV-Reform bahnt sich eine Annäherung zwischen Regierungsparteien und Opposition an. Vor allem beim Mindestlohn für Zeitarbeiter und bei der Umsetzung des geplanten Bildungspakets gibt es erste Kompromisse.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) betonte, für die Ausführung des Bildungspakets wolle man "möglichst unbürokratische Strukturen" schaffen. "Alle gemeinsam sehen wir das Bildungspaket am besten bei den Kommunen aufgehoben", sagte der Chefunterhändler der Länder dem Abendblatt. Bislang sieht der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor, die Jobcenter mit der Umsetzung der Maßnahmen zu beauftragen. Rund 1300 neue Stellen sollten dafür geschaffen werden. Bode: "Wir brauchen eine Lösung, mit der wir mehr Geld für Kinder und weniger für Bürokratie ausgeben." Auch die SPD besteht darauf, dass die eingeplanten 740 Millionen Euro für Kinder aus Hartz-IV-Familien direkt an die Kommunen verteilt werden.
Der Vermittlungsausschuss kommt morgen erneut zusammen, um über die Reform zu beraten. SPD und Grüne hatten die Reformvorlage der schwarz-gelben Regierung im Dezember im Bundesrat blockiert. Sie fordern massive Nachbesserungen bei der Regelsatz-Berechnung und am Bildungspaket und verlangen außerdem einen flächendeckenden Mindestlohn. Die letzte Vermittlungssitzung am 7. Januar endete ohne Ergebnis. Seitdem haben sich die Parteien in drei Untergruppen beraten. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, bekundete gestern erneut Einigungswillen. "Mit der SPD kann es schnell Kompromisse geben", sagte er dem Abendblatt. Seine Partei bleibe insgesamt realistisch. "Wir brauchen sichtbare Fortschritte, erwarten aber nicht, dass unsere Forderungen zu 100 Prozent umgesetzt werden."
Eine weitere Bedingung der SPD ist ein Ausbau der Schulsozialarbeit. Schwarz-Gelb verweist jedoch auf die Länder, die für Bildungsfragen zuständig sind. Diese Forderung stehe "mit dem eigentlichen Gesetzgebungsverfahren zur Sicherung des Existenzminimums in keinem Zusammenhang", kritisierte Bode. Kaum Bewegung gibt es zudem im Bereich der Regelsätze. Die Bundesregierung beharrt auf ihrem Plan, die monatliche Zahlung von 359 auf 364 Euro zu erhöhen.
Weniger starr sind die Positionen im Bereich der Mindestlöhne. Zumindest bei der Zeitarbeit zeichnet sich eine Einigung ab. Da ab 1. Mai auch Zeitarbeiter aus osteuropäischen EU-Staaten in Deutschland arbeiten dürfen, sehen alle Parteien die Gefahr von Lohndumping. "Wir wollen einen Mindestlohn für alle und gleichen Lohn für gleiche Arbeit, auch in der Zeitarbeit, und nicht erst nach zwölf Monaten Beschäftigungsdauer", so Oppermann. Schwarz-Gelb streite hier noch mit sich selber, kritisierte er.
Tatsächlich ist das Prinzip "Equal Pay", das die Angleichung der Zeitarbeiter-Löhne an die Löhne der Stammbelegschaft beschreibt, umstritten. Von der bisherigen Forderung, dass Zeitarbeiter nach zwölf Monaten den gleichen Lohn erhalten sollen, rückte die FDP gestern jedoch ab. Generalsekretär Christian Lindner nannte einen Zeitraum von sechs Monaten. Auf eine gemeinsame Linie mit der Union haben sich die Liberalen jedoch noch nicht geeinigt. Die SPD fordert Equal Pay schon ab dem ersten Tag.
Der Bundesverband Zeitarbeit BZA kritisiert diese Pläne massiv. "Wir warnen vor Equal Pay in der Zeitarbeit", sagte BZA-Präsident Volker Enkerts dem Abendblatt. Während ein Mindestlohn "dringend" kommen müsse, würde das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit mehr schaden als nutzen. "Sowohl ab dem ersten Tag der Überlassung als auch nach zwölf Monaten ist Equal Pay nicht sinnvoll. Das würde dazu führen, dass die Zeitarbeit teurer und damit unattraktiver wird", so Enkerts. Rund ein Drittel aller Zeitarbeiter werde für Hilfsarbeiten eingesetzt. "Gerade in den unteren Lohngruppen ist Equal Pay nicht mehr wirtschaftlich." Diese Menschen würden nur noch sehr schwer vermittelt werden können und eher in der Arbeitslosigkeit verbleiben.
Für die morgige Verhandlungsrunde rechnet Bode noch nicht mit einer Einigung: "Es würde mich sehr überraschen, wenn wir am Mittwoch bereits zu einer Lösung kommen." In vielen Dingen würden noch Details und Formulierungen abgestimmt.