Für die Vorsitzenden von FDP und CSU, Guido Westerwelle und Horst Seehofer, geht es in Stuttgart und Kreuth um ihre Zukunft.
Berlin. Ein Punkt. Um einen mageren Umfragepunkt hat sich die FDP in dieser Woche verbessern können. Von drei auf vier Prozent. Da wird es dem einen oder anderen Liberalen schwerfallen, dem Parteivorsitzenden morgen in Stuttgart in gewohnter Weise zuzujubeln. Beim Dreikönigstreffen, auf dem traditionell gute Laune verbreitet werden soll.
Und überhaupt ist die Situation pikant, weil unmittelbar vor Guido Westerwelle der smarte Generalsekretär ans Rednerpult treten wird. Der 31-jährige Christian Lindner, den manche lieber jetzt als gleich an Westerwelles Stelle sehen würden. Wie hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Abendblatt gerade gesagt? Sie halte Lindner für einen "exzellenten Mann" , der dank seiner Persönlichkeit befähigt sei, "herausragende Ämter" wahrzunehmen. Dass die Bundesjustizministerin Guido Westerwelle im Gegensatz dazu für ein Auslaufmodell hält, konnte man aus ihrer knappen Bemerkung schließen, man möge den amtierenden Parteivorsitzenden doch jetzt mal "ganz persönlich entscheiden lassen", ob er auf dem Bundesparteitag im Mai noch einmal zur Wahl antreten wolle.
Ein Dutzend Parteivorsitzende haben die Liberalen seit 1948 verbraucht. Westerwelle ist bereits der dreizehnte. Tatsächlich war nur Hans-Dietrich Genscher länger am Ruder als der Mann aus Bad Honnef, der im Mai 2001 an die Parteispitze aufstieg. Und er ist ja noch nicht weg. Theoretisch kann Westerwelle den Rekord seines bewunderten Mentors sogar noch brechen - auch wenn parteiintern nicht mehr viele daran glauben. Da Westerwelle nicht freiwillig weichen will - "Ich verlasse das Deck nicht, wenn es stürmt!" -, haben erste Parteifreunde sein Schicksal mit dem Ausgang der bevorstehenden Landtagswahlen verknüpft. Da stehe für die FDP viel auf dem Spiel, hat der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn gesagt. Hahn hat mit geradezu drohendem Unterton hinzugefügt, Westerwelle müsse morgen "eine begeisternde Rede" halten. Wohl wissend, dass Westerwelle zurzeit beileibe nicht alle in der Partei begeistert. Selbst Fraktionschefin Birgit Homburger mahnte gestern an, dass sich die FDP inhaltlich breiter aufstellen müsse. Zuversicht indes versuchte Entwicklungsminister Dirk Niebel zu verbreiten: "Guido Westerwelle ist der beste Wahlkämpfer, den eine Partei in Deutschland aufzubieten hat. Und wir werden als FDP gemeinsam das Blatt wenden."
Während Westerwelle ungemütlich im Gegenwind steht, kann sich Horst Seehofer erst mal ein wenig entspannen. Der Ingolstädter, der in seiner Partei möglicherweise einen noch schwereren Stand hat als Westerwelle in der FDP, kann auf stolze 45 Prozent verweisen, sollte ihm morgen bei der Klausurtagung in Wildbad Kreuth jemand quer kommen wollen. Und Vorsorge hat Seehofer auch schon betrieben. Er, der sich im Oktober 2008 auf dem Münchner Sonderparteitag als Retter in der Not feiern ließ, nachdem die CSU bei der Landtagswahl mit 43,4 Prozent die absolute Mehrheit klar verpasst hatte, hat bereits verkündet, dass er im Herbst bei der Wahl zum CSU-Vorsitz wieder antreten wird.
Tatsächlich verspürt die CSU neuerdings einen leichten Aufwind. Gradmesser dafür sind nicht nur die 45 Prozent, dazu kommt, dass Bayerns Liberale, mit denen Seehofer seit 2008 koaliert, in den Umfragen inzwischen von damals acht auf fünf Prozent abgerutscht sind. Daraus zieht Seehofer nur eine Schlussfolgerung: "Die Ergebnisse meiner Politik stimmen!"
Ein anderes Umfrageergebnis übersieht der 61-Jährige dabei allerdings geflissentlich: Dass sich die Bayern längst einen anderen an die Spitze ihrer Volkspartei wünschen: Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Laut Emnid sprechen sich 71 Prozent der Befragten dafür aus, dass Guttenberg die CSU als Spitzenkandidat in die Landtagwahl 2013 führen sollte. Nur 20 Prozent sind für Seehofer. Der versucht, entsprechende Spekulationen zu ignorieren. "An solchen Unterhaltungsspielen", so Horst Seehofer gestern knapp, beteilige er sich nicht.
Hier Stuttgart, da Kreuth. Westerwelle setzt darauf, dass es in Stuttgart wohl noch niemand wagen wird, gegen ihn zu putschen. Seehofer kann sich noch in der Sicherheit wiegen, dass für die CSU bei den bevorstehenden Landtagswahlen direkt nichts auf dem Spiel steht. Aber danach kommt wieder ein Kreuth, und was dort möglich ist, weiß Seehofer nur zu gut, seit Edmund Stoiber in diesem vermeintlichen Idyll 2007 so kalt entmachtet wurde. Seehofer ist übrigens erst der achte CSU-Vorsitzende von allen. Was sich allerdings in erster Linie dem Umstand verdankt, dass sich ein Franz Josef Strauss als außergewöhnlich ausdauernd erwies. Gegengerechnet hat die FDP in den 28 Jahren, in denen Strauss die CSU führte, vier Vorsitzende verbraucht.
Im Gegensatz zu Horst Seehofer ist Guido Westerwelle aber jetzt schon in ernster Bedrängnis. Was er bräuchte, wäre ein Wunder. Am besten in Baden-Württemberg. Ein solches Wahlwunder könnte Westerwelles politische Karriere retten, die jetzt an einem seidenen Faden hängt. Und Wunder, das weiß man auch in der Politik, gibt es ja tatsächlich immer mal wieder. Mitleid dagegen eher weniger. Schon gar nicht für Guido Westerwelle, der vor zehn Jahren wenig zimperlich war, als es darum ging, Wolfgang Gerhardt vom Parteivorsitz zu verdrängen. Auch das hat der eine oder andere in der Partei, die Westerwelle seit 2001 auf sich zugeschnitten hat, noch nicht vergessen.