Der Innenminister fordert dichte Kontrollen und neue Raster. Sicherheitslücken in der Luftfracht sollen schnell geschlossen werden.
Berlin/Washington. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat nach den vereitelten Paketbombenattentaten vor weiteren Terrorakten gewarnt. „Es gibt ernstzunehmende Hinweise auf Anschläge in Europa und den USA“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Zuvor hatte sich Al-Kaida im Jemen zu den versuchten Angriffen auf jüdische Einrichtungen in den USA bekannt und weitere Anschläge angekündigt. De Maizière will am Montag in Brüssel einen Fünf-Punkte-Katalog vorlegen, um Sicherheitslücken in der Luftfracht zu schließen.
Der Innenminister, der mit Terrorwarnungen bislang eher zurückhaltend war, wurde diesmal ungewohnt deutlich: „Die Ereignisse sind für mich Anlass, meine Sorgen erstmals öffentlich zu machen“, sagte er mit Blick auf die Bomben aus dem Jemen und den Sprengsatz, der aus Griechenland an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschickt worden war. Er forderte die Bürger zu höchster Aufmerksamkeit auf. Aus seiner Sicht seien die Angriffe aus dem Jemen kein Probelauf gewesen, „sondern ein sehr ernstzunehmender Anschlagsversuch“.
Die Verantwortung für die vereitelten Anschläge mit Luftpostpaketen übernahm inzwischen die „Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel“ (AQAP). Die beiden Sprengsätze, die vor einer Woche in England und Dubai abgefangen werden konnten, waren an jüdische Einrichtungen in den USA adressiert. Eine der Bomben wurde auf dem Flughafen Köln/Bonn umgeladen.
Der jemenitische Al-Kaida-Ableger behauptet auf einschlägigen Internet-Seiten, auch für den Absturz einer UPS-Maschine am 3. September in Dubai verantwortlich zu sein. Das berichtet die auf die Auswertung islamistischer Seiten spezialisierte SITE Intelligence Group in Washington. Bei dem Absturz waren zwei Piloten ums Leben gekommen. Die Zivilluftfahrtbehörde des Emirates hatte erst vor wenigen Tagen einen Zusammenhang mit den Paketbomben aus dem Jemen bestritten.
Deutschland dringt nun darauf, Sicherheitslücken in der EU rasch zu schließen. De Maizière will seinen EU-Kollegen an diesem Montag in Brüssel konkrete Vorschläge unterbreiten. In einem Fünf-Punkte- Katalog, der der dpa und mehreren anderen Medien vorliegt, fordert er, die Luftsicherheit auf europäischer Ebene in eine Hand zu legen und Fracht aus unsicheren Drittstaaten besser zu kontrollieren. Dazu soll ein Raster erstellt werden, mit dem verdächtige Sendungen anhand von Frachtlisten herausgefiltert werden können.
„Nationale Alleingänge helfen nicht weiter, da Deutschland die europäische Drehscheibe in Sachen Luftfracht ist“, erklärte das Bundesinnenministerium. Die Sicherheit von Flughäfen in Drittstaaten soll laut de Maizière deshalb von den EU-Ländern gemeinsam bewertet und vor Ort überprüft werden.
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) forderte in der „Welt am Sonntag“, Schwarze Listen für unsichere Flughäfen anzulegen. Wie aus Regierungskreisen verlautete, erstellen die deutschen Sicherheitsbehörden zurzeit eine Sicherheitsbewertung für Luftfracht aus Afghanistan, Pakistan, der Arabischen Halbinsel, Maghreb und Sahel.
Aber auch in Deutschland soll es Konsequenzen geben: Ramsauer signalisierte seine Bereitschaft, die Zuständigkeit des Luftfahrt- Bundesamtes für die Kontrolle von Luftfracht an die Bundespolizei abzugeben: „Wenn wir zu der Erkenntnis gelangen, dass andere Organisationsstrukturen effektiver wären, wird es keine Ressortegoismen geben“, sagte er dem „Spiegel“. FDP und SPD warfen de Maizière vor, falsche Prioritäten zu setzen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann verlangte erneut, die geplante Kürzung von 1000 Stellen bei der Bundespolizei rückgängig zu machen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte im „Spiegel“: „Kraft und Zeit hätten besser in die Kontrolle der Fracht investiert werden sollen statt in grundrechtlich sensible, aber technisch fragwürdige Neuentwicklungen wie den Körperscanner.“
Die saudischen Geheimdienste hatten ihre amerikanischen Kollegen laut „New York Times“ schon drei Wochen vor dem versuchten Anschlägen gewarnt, dass Al-Kaida im Jemen ein Attentat mit einem oder mehreren Flugzeugen plane. US-Geheimdienstler betonten jedoch, die Saudis hätten nicht darauf hingewiesen, dass die Terroristen Frachtflugzeuge benutzen würden.