Bei der Integration von Migranten will Kanzlerin Merkel künftig konkrete Zielvorgaben. Die Länder klagen jedoch über zu wenig Geld.
Berlin. Die Bundesregierung will die Integration von Migranten durch konkrete Ziel- und Zeitvorgaben beschleunigen. Zugleich will sie ihre eigenen Maßnahmen regelmäßig überprüfen. Binnen fünf bis sieben Jahren solle allen rund 1,8 Millionen Menschen, die Interesse an einem Integrationskurs haben, ein Angebot gemacht werden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Berlin zum Abschluss des 4. Integrationsgipfels. Von den Ländern verlangte der Bund größere Anstrengungen. Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Die Länder haben uns zugesagt, dass der Anteil der Schulabbrecher bei ausländischen Kindern auf das Niveau gesenkt werden soll wie bei deutschen Kindern.“ Die Quote betrage bei Zuwandererkindern 13 Prozent, bei deutschen 7 Prozent. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper (FDP), sagte der dpa: „Eine bessere Integrationspolitik scheitert derzeit am Länderegoismus in der Bildungspolitik.“
Nationaler Aktionsplan soll Vorgaben für Integration formulieren
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) zeigte sich nach dem Gipfel von rund 120 Vertretern aus Politik und gesellschaftlichen Gruppen optimistisch, „dass die angesprochenen Probleme wenigstens schrittweise zu lösen sind“. Das Problem der Schulabbrecher sei auch bei den deutschen Kindern zu hoch, daher müsse es umfassend angegangen werden. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), betonte: „Wenn Kommunen präventiv tätig werden sollen, brauchen sie dafür die finanziellen Spielräume.“ Die Grünen kritisierten, im Bundeshaushalt „wird weder mehr Geld für Integrationskurse eingestellt, damit alle Interessenten teilnehmen können, noch werden integrationspolitisch sinnvolle Maßnahmen in den Kommunen über das Projekt Soziale Stadt weitergeführt.“
Maria Böhmer sagte, innerhalb eines Jahres solle ein Nationaler Aktionsplan ausgearbeitet werden. Bei Bildung, Deutschkenntnissen und Ausbildung seien klare Zielvorgaben vorgesehen. Sie hob zugleich die „wichtige Brückenfunktion der Migranten“ im öffentlichen Dienst hervor, etwa bei Polizei und Lehrern. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte verstärkte Anstrengungen bei der Anwerbung an: „Wir müssen hingehen, da wo viele sind.“
Merkel unterstrich, dass gegen Gewalt an Schulen und problematische „männliche Verhaltensmuster“ etwas getan werden müsse. „Auch diese Themen müssen auf den Tisch.“ Die Kanzlerin präzisierte ihre Aussage, „Multikulti ist gescheitert“. Dies gelte insofern, als man in den vergangenen Jahrzehnten davon ausgegangen sei, Integration sei bei einem bloßen Nebeneinanderherleben möglich. Man habe nicht gesehen, dass Integration viel Engagement und Kraft für die Gesellschaft bedeute.
Der Geschäftsführer Multikulturelles Forum, Kenan Kücük, kritisierte die jüngste Debatte über Multikulti. „Die multikulturelle Gesellschaft ist Realität“. Der Islam sei Teil der deutschen Gesellschaft, zitierte er Bundespräsident Christian Wulff. „Einseitige Diskussionen nähren Ablehnung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.“
Mit Blick auf die Pläne der Regierung zu den Integrationskursen sagte Merkel, die Regierung hole nach, „was 30 Jahre versäumt wurde“. Sie glaube aber nicht, „dass wir in allen Fragen der Integration dann schon am Ende unserer Arbeit sind“. Sie beklagte, dass derzeit mehr Menschen Deutschland verließen als kämen. So gingen viele türkischstämmige Uni-Absolventen zurück in die Türkei.
Merkel wie Wolfgang Böhmer bekräftigten, dass ausländische Berufsabschlüsse schneller anerkannt werden müssten. In einer Frist von etwa drei Monaten sollten die Ausländer Bescheid bekommen. In neuen individuellen Vereinbarungen solle festgelegt werden, was Zuwanderer an Unterstützung bekommen und was sie leisten sollten, kündigte Maria Böhmer an. Durch eine bessere Anerkennung ausländischer Abschlüsse sollten zudem rund 300.000 qualifizierte Zuwanderer gewonnen werden. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wandte sich gegen Abschiebungen integrierter Minderjähriger. Es dürften nicht die des Landes verwiesen werden, die alle Voraussetzungen für Integration erfüllen, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“.