Eines der beiden gefundenen Bombenpakete aus dem Jemen wurde über Köln/Bonn transportiert. Es sollte noch im Flugzeug explodieren.
Berlin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière selbst räumte eine Sicherheitslücke in der Terror-Abwehr ein: de Maizière (CDU) sagte, dass Luftfracht „relativ wenig“ kontrolliert werde. Die Terroristen hätten diese Lücke erkannt. In der Bundesrepublik, Großbritannien, den USA und Frankreich wurde als Konsequenz aus den Bombenfunden vom Freitag der gesamte Luftfrachtverkehr aus dem Jemen gestoppt. „Wir lassen keinerlei Luftpostpakte und Fracht aus dem Jemen mehr nach Deutschland“, sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Sonntag. Das Luftfahrtbundesamt forderte Fluggesellschaften und Transportunternehmen auf, auch Frachtstücke, die jetzt noch eintreffen oder bereits in Deutschland lagern, lückenlos zu kontrollieren. De Maizière sagte eine Nahost-Reise kurzfristig ab.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor weiteren Sicherheitslücken und rief die Bundesregierung zum Handeln auf. Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg sagte dem Abendblatt (Montagausgabe): "In der Politik wird viel geredet. Das Handeln sieht anders aus. Bei der Bundespolizei, die für den Luftverkehr zuständig ist, sollen laut Haushaltsbeschluss bis 2014 insgesamt 1000 Stellen gestrichen werden. Das ist eine zentrale Sicherheitslücke und kein Beitrag zur Bekämpfung der Terrorgefahr.“
Freiberg sagte, man wisse aus jahrelangen Ermittlungen und aus den Erkenntnissen der Nachrichtendienste, "dass die Zahl der Terroristen, die eine Sprengstoffausbildung haben, gestiegen ist“. Der Fund der Bomben mache deutlich, in welcher Terrorgefahr wir lebten. „Wir neigen seit einigen Monaten dazu, das zu verdrängen“, sagte Freiberg.
Um auch künftig Terrorpläne aufdecken zu können, sei eine rasche Einigung auf die Methoden der Vorratsdatenspeicherung nötig. Freiberg kritisierte: „Die Bundesjustizministerin und der Bundesinnenminister können sich nicht auf eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung einigen. Die Polizei braucht aber moderne Methoden, um Terroristen frühzeitig zu identifizieren. Insofern haben sich die Rahmenbedingungen der Terrorbekämpfung verschlechtert.“
Bei der Fahndung nach den Hintermännern haben die US-Behörden ihr Augenmerk inzwischen auf den Saudi Ibrahim Hassan al-Asiri gerichtet, der als eine der führenden Figuren der Terrororganisation al-Qaida auf der arabischen Halbinsel gilt. In den an jüdische Einrichtungen in Chicago adressierten Paketbomben war nach Medienberichten der Sprengstoff PETN enthalten, den auch der sogenannte Unterhosenbomber Omar Farouk Abdulmutallab dabei hatte, als er Weihnachten 2009 ein Passagierflugzeug über Detroit in die Luft jagen wollte.
Festnahmen im Jemen
Die jemenitischen Behörden nahmen am Sonnabend eine 22-Jährige Studentin und deren Mutter in einem Armenviertel der Hauptstadt Sanaa fest. Wie die Regierung mitteilte, führte eine bei einer der Bomben gefundene SIM-Karte für Mobiltelefone auf die Spur der jungen Frau. „Sie ist eine Medizinstudentin, und sie wird zur Befragung festgehalten“, sagte Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh. Die 22- Jährige sei von den US-Behörden als Absenderin der Pakete ermittelt worden.
Im Rahmen der Ermittlungen nach dem Aufgeber der Paketbomben, die auf ihrem Weg in die USA entdeckt worden waren, hat die Polizei die Verdächtige jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Verhöre und Befragungen hätten ergeben, dass die 22- jährige Studentin Hanan Mohammad al-Samawi „die falsche Person“ gewesen sei, sagte ein Angehöriger des Sicherheitsdienstes. „Sie wurde ihrem Vater übergeben“, hieß es.
Die 22-Jährige war am Vortag in Sanaa festgenommen worden, nachdem US-Ermittler sie zunächst als Aufgeber der Paketbomben identifiziert hatten. Schon am Sonntag hatte es jedoch geheißen, dass sie möglicherweise Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden war
Am Sonntag folgten weitere Festnahmen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen handelte es sich um Kontaktpersonen, die die Studentin in der Anruferliste ihres Handys verzeichnet hatte.Nach Angaben ihres Anwaltes könnte die junge Frau aber Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden sein. Laut BBC hatte sie ihre Telefonnummer bei einem Frachtunternehmen hinterlegt. Dies mache keinen Sinn, wenn jemand einen Bombenanschlag plane, zitierte die britische „Sunday Times“ den Anwalt.
Nach US-Medienberichten wurden die Pakete aus dem Jemen nur durch einen Hinweis des saudi-arabischen Geheimdienstes entdeckt und nicht bei regulären Sicherheitschecks. Eine der beiden Bomben wurde in Dubai gefunden, der zweite Sprengsatz auf dem East-Midlands-Flughafen nahe Nottingham (England).
De Maiziére: Deutschland genauso im Fokus wie andere auch
Der entscheidende Hinweis kam laut de Maizière vom Bundeskriminalamt. Die deutschen Sicherheitsbehörden hätten in der Nacht zum Freitag "von einem befreundeten Dienst“ den Hinweis bekommen, dass in an die USA gerichteten Paketen Sprengstoff sei, sagte er. Das Bundeskriminalamt habe dann sofort die Nummer des Pakets ermittelt und an die britischen Behörden weitergegeben.
Das bei Nottingham gefundene Sprengstoffpaket wurde zwar über Köln/Bonn transportiert, richtete sich nach Einschätzung von de Maizière aber nicht direkt gegen Deutschland. Rückschlüsse auf die Gefährdungslage könne man daraus nicht ziehen, sagte der CDU- Politiker in Dresden. „Deutschland ist genauso im Fokus wie andere auch.“ Der Innenminister geht davon aus, dass die Terroristen die Route des Bombenpakets nicht vorhersehen konnten. Er räumte ein, dass sich die Sicherheitsbehörden international sehr stark auf die Kontrolle des Personenverkehrs konzentriert hätten. Das hätten die Terroristen offenbar erkannt und ausgenutzt. Er kündigte Konsequenzen für den Frachtflugverkehr an. Schwachstellen müssten geschlossen werden.
Wie der britische Premier David Cameron am Sonnabend sagte, sollte die in Nottingham gefundene Bombe noch im Flugzeug explodieren. Cameron war der erste, der am Sonnabend in einem Nebensatz bestätigte, dass die hochexplosive Fracht einen Zwischenstopp in Deutschland machte: „Ein Paket, das im Jemen auf den Weg gebracht wurde, in Deutschland landete, dann in Großbritannien landete, bestimmt für Amerika; das zeigt, wie stark wir zusammenstehen und wie entschlossen wir sein müssen, um den Terrorismus zu besiegen“, sagte er vor einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel. Beide vereinbarten einen engen Informationsaustausch bei der Aufklärung des Terrorplots.