Die Reform von Hartz IV ist beschlossen. Es gab jedoch einige Last-Minute-Änderungen – und die Kritiker drohen wieder mit dem Gang nach Karlsruhe.

Berlin. Die Bundesregierung hat nach monatelangem Streit die Reform von Hartz IV beschlossen. Die Zeit drängte, denn das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom Februar eine schnelle Änderung der Rechtslage angemahnt. Kabinett beschloss einen Gesetzentwurf, der die Anhebung der Regelsätze für Erwachsene zum 1. Januar 2011 um fünf Euro monatlich vorsieht. Für bedürftige Kinder ist ein Bildungspaket mit einem Volumen von rund 700 Millionen Euro pro Jahr geplant Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nannte es „einen Riesenschritt“ für die Bildungs- und Aufstiegschancen der Kinder, dass das Geld nicht mehr länger nur ausgezahlt werde, sondern direkt zum Kind gelange. Die CDU-Politikerin hatte den Gesetzentwurf noch eine Reihe von Änderungen eingearbeitet und damit auf die breite Kritik an dem Bildungspaket reagiert.

So sollen von den Bildungszuschüssen neben den rund zwei Millionen Kindern aus Hartz-IV-Familien auch die Kinder von Geringverdienern profitieren – also jene 300.000, die bereits Anspruch auf den Kinderzuschlag haben. Das hatte die SPD gefordert, auf deren Zustimmung im Bundesrat die schwarz-gelbe Koalition angewiesen ist. Von der Leyen betonte, dass diese Lösung „harte Abbruchkanten vermeidet, denn auch die Familien an der Grenze zu Hartz IV brauchen jede Unterstützung bei der Bildung ihrer Kinder“.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig hat die Hartz-IV-Reform scharf kritisiert und die Zustimmung der SPD an Nachbesserungen geknüpft. Die Reform sei ein „bürokratisches Monster und völlig unausgewogen“, sagte Schwesig der „Rheinischen Post“. Von der Leyen (CDU) habe die „Chance verspielt, im Kampf gegen Kinderarmut entscheidend voranzukommen“. Der Vorschlag, die Jobcenter mit der Umsetzung des Bildungspakets zu beauftragen, sei „völlig weltfremd“. Die Kommunen müssten die Zuständigkeit erhalten, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern weiter.

Außerdem lehnte Schwesig die Ausgabe von „Gutscheinen im Wert von ein paar Euro“ ab. Dies sei bürokratisch und stigmatisierend für bedürftige Kinder. Wichtiger seien Sachleistungen wie Ganztagsschulen und Ganztagskitas mit einem Mittagessen für die Kinder und Angeboten wie Musik und Sport.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält die Hartz-IV-Neuregelung für ungeeignet, um wirksam Armut von Kindern und Familien zu bekämpfen. Bei der Ermittlung der neuen Regelsätze habe weniger die Verfassungslage, als die Kassenlage des Bundes im Vordergrund gestanden, beklagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Insbesondere die Kinderregelsätze seien zu niedrig.

Der DGB unterstütze aber den Vorstoß von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu einer Gipfelrunde mit den Bundesländern und Oppositionsparteien, um die Frage von Bildung und sozialer Teilhabe von Kindern zu klären. Die Frage der besseren Gestaltung der Infrastruktur für Bildung lasse sich nicht im Schnellschuss lösen, erklärte Buntenbach.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, kritisierte, „dass die Regierung kein tragfähiges Konzept zur Armutspolitik hat“. Mit fünf Euro mehr im Monat ließen sich die Kürzungen für Hartz-IV-Bezieher durch das Sparpaket der Regierung nicht kompensieren. Das Bildungspaket hält Mascher für zu gering. „Es wird weiterhin so sein, dass arme Kinder ausgegrenzt werden.“

Als völlig unzureichend kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die Hartz-IV-Reform. Der Verband warnt die Bundesregierung vor einem erneuten Verfassungsbruch. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagte, die Berechnungen der Bundesregierung zu den Regelsätzen für Kinder und Jugendliche seien statistisch kaum haltbar und im Ergebnis absolut realitätsfremd. „Eine Statistik, die monatlich 6,93 Euro etwa für Windeln ausweist oder Heranwachsenden lediglich 70 Euro im ganzen Jahr für Schuhe zugesteht, kann nicht ohne Plausibilitätsprüfung übernommen werden. Die Bundesregierung muss ermitteln, was ein Kind wirklich braucht und darf sich nicht länger hinter Statistiken verstecken“, forderte Schneider.

Der CSU kam von der Leyen entgegen, nachdem die Partei gefordert hatte, neben der Abrechnung der Bildungszuschüsse über Gutscheine auch eine Direktüberweisung an Bildungsträger und Vereine zuzulassen. Eine Forderung der Kommunen wurde ebenfalls aufgenommen: Sie können auf Wunsch auch die Umsetzung selbst in die Hand nehmen anstelle der Jobcenter. Der Bund erstattet in diesem Fall die Verwaltungskosten.

Die Reform von Hartz IV war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die geltenden Regelsätze für verfassungswidrig erklärt hatte. Der Gesetzentwurf soll in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht und möglichst am 17. Dezember vom Bundesrat gebilligt werden, damit es rechtzeitig zum kommenden Jahr in Kraft treten kann.

Hartz-IV-Empfänger können für das kommende Jahr nicht mehr auf eine zweimalige Erhöhung des Arbeitslosengeldes II setzen. Die Bundesregierung korrigierte Pläne, den Regelsatz zum Anfang und zur Mitte nächsten Jahres anzuheben. Der bisher übliche Termin für die jährliche Anpassung des Arbeitslosengeldes II wird stattdessen generell vom 1. Juli auf den 1. Januar eines jeden Jahres verschoben.