Polen habe unter dem Druck Hitler-Deutschlands mobilgemacht. NS-Experte Winkler wirft Steinbach vor, Täter und Opfer zu vertauschen.
Berlin. Der renommierte Historiker Heinrich-August Winkler wirft Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach vor, mit ihren Äußerungen zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs die Geschichte zu verfälschen. „Polen hat am 25. August unter dem Eindruck der ultimativen und erpresserischen Drohungen Hitlers eine Teilmobilmachung angeordnet“, sagte Winkler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu den historischen Vorgängen im Jahr 1939. „Am 30. August wurde dann die Generalmobilmachung angeordnet, da man auf polnischer Seite genauestens über die deutschen Kriegspläne informiert war.“
Steinbach hatte bei einer CDU-Fraktionsklausur gesagt: „Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat.“ Winkler betonte, Polen habe damals das in dieser Situation einzig Richtige getan und sich der Erpressung Hitlers nicht gebeugt. „Andernfalls hätte Polen das gleiche Schicksal ereilt wie die Slowakei, die zu diesem Zeitpunkt bereits ein deutscher Satellitenstaat war.“
Die Äußerungen Steinbachs klängen so, „als ob nicht der Täter, sondern das Opfer der Schuldige ist“, sagte der emeritierte Professor der Berliner Humboldt-Universität. Er könnte die Entscheidung des Zentralrats der Juden gut verstehen, „unter diesen Umständen nicht mehr im Stiftungsrat mitwirken zu wollen“.
Steinbach hatte nach Angaben des Vorsitzenden der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU) , später klargestellt, dass sie die Schuld Deutschlands am Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht habe relativieren wollen. Die CDU-Politikerin hatte angekündigt, sie werde nicht mehr für den Parteivorstand kandidieren.