Trotz Zugeständnissen von Google warnen Daten- und Verbraucherschützer. Auch der Innenminister warnt vor Verletzung der Privatsphäre.
Hamburg. Lange wurde gestritten gestritten, gestern fiel die Entscheidung. Der Internet-Dienst Google Street View soll bis Ende des Jahres auch in Deutschland verfügbar sein. 20 große Städte zwischen Hamburg und München werden dann en detail im Internet zu sehen sein: mit allen Straßenzügen, Häuserfassaden und Menschen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme zufällig auf der Straße waren. Seit 2008 haben die Google-Autos mit speziellen Kameras auf dem Dach alles abfotografiert, was ihnen vor die Linse kam - in einer 360-Grad-Ansicht und auf der "letzten Zoom-Ebene", wie es Google selbst formuliert.
Für den Internetkonzern ist das eine neue Technologie, mit der die Benutzer ihre Stadt virtuell erkunden, Wegbeschreibungen abrufen oder den Dienst für die Wohnungssuche nutzen können. Für Datenschützer und besorgte Bürger allerdings ist Street View ein Dienst, der die Privatsphäre von Hausbesitzern stört, riesige Datenmengen anhäuft und oder gar potenziellen Straftätern Tür und Tor zur Vorbereitung eines Einbruchs öffnen kann. Während Street View mittlerweile in 23 Ländern weltweit verfügbar ist, hat sich Deutschland wegen der Bedenken lange gegen die Einführung gewehrt. Um Datenschutz und Privatsphäre trotzdem zu gewährleisten, hat sich Google verpflichtet, Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich zu machen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte den Zeitungen der WAZ-Gruppe: „Wir müssen sehr sorgfältig darauf achten, wann Quantität in Qualität umschlägt und aus etwas Normalem, der Blick auf eine Häuserfassade mit Klingelschildern und Briefkästen, ein weltweit möglicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen werden kann.“ Er kenne noch keine Details, begrüße aber das Widerspruchsrecht, das Google einräume.
Eine Besonderheit in Deutschland ist eben dieses Widerspruchsrecht . Mit einem Online-Formular können Mieter und Hausbesitzer nun einfordern, dass ihre Häuser unkenntlich gemacht werden. Der Grundeigentümer-Verband Hamburg rät seinen Mitgliedern, genau dieses zu tun. "Wir sagen unseren Mitgliedern, dass sie sich das nicht gefallen lassen müssen. Ohne Einwilligung der Betroffenen kann man nicht einfach Bilder ihrer Häuser machen", sagte Verbands-Geschäftsführer Torsten Flomm dem Abendblatt. "Zwar ist das Ganze noch keine Massenbewegung, aber die Grundeigentümer wenden sich vermehrt an uns, weil sie Bedenken gegen Street View haben. Wenn die Software im Herbst dann tatsächlich gestartet wird, wird das eine ganz neue Dynamik bekommen." Auch der Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, Eckard Pahlke, sagte: "Bei den Leuten stößt diese Technik auf Unbehagen. Wenn sie es wollen, werden wir ihnen beim Widerspruchsverfahren helfen." Falk Lüke, Datenschutzexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, sagte dem Abendblatt: "Die Menschen sollten sich sehr genau überlegen, ob sie ihr Haus im Internet sehen möchten. Wichtig ist, dass nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter Widerspruch gegen die Abbildung einlegen können."
Ministerin will Google in die Schranken weisen
Die Bearbeitung der Widersprüche werde einige Wochen dauern, sagte Google-Sprecherin Lena Wagner. Danach werde das Angebot online gestellt. "Wir hoffen, dass dies im November der Fall sein wird." Der Datenschutz-Experte der Grünen, Malte Spitz, sagte dem Abendblatt: "Google muss jetzt ein transparentes und kundenfreundliches Verfahren verlässlich umsetzen, um allen Kritikern deutlich zu machen, dass der Konzern die Befürchtungen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt." Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar bemängelte, dass keine telefonische Hotline von Google für Anfragen von Bürgern geplant sei. Das Unternehmen verpasse "die Chance, verloren gegangenes Vertrauen durch eine bürgerfreundliche Umsetzung der mit uns vereinbarten Zusagen zurückzugewinnen". Experte Lüke warnt zudem, dass vor allem die Menschen letztendlich nur unzureichend verpixelt sein könnten. "Wenn die Verschleierung von Gesichtern und personenbezogenen Daten bei uns nachher genauso schlecht ist wie in Großbritannien, genügt das deutschen Standards nicht." Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sagte: "Entscheidend aber ist für mich, ob das Versprechen, alle Widersprüche umzusetzen, auch eingelöst wird. Das bezieht sich auch auf die Widersprüche der Bürgerinnen und Bürger, die keinen Internetzugang haben. Ich werde mir jetzt genau ansehen, ob sich das Verfahren in der Praxis bewährt."
Grünen-Politiker Spitz kritisierte jedoch ein fehlendes Engagement der Bundesregierung: "Sie schaut wie so oft beim Daten- und Verbraucherschutz vom Spielfeldrand zu, statt selbst Akzente zu setzen."