Ein Arbeitgebernahes Institut fordert die Rente mit 70. Grund seien die höhere Lebenserwartung und abnehmende Geburtenrate in Deutschland.
Berlin. Die Einführung des Arbeitens bis zum 67. Lebensjahr sorgte in der Bevölkerung für großen Unmut. Nun geht die Wirtschaft weiter, sie fordert die Rente mit 70. Der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, erklärte dies mit der höheren Lebenserwartung und die abnehmende Geburtenrate in Deutschland: „Wenn wir uns die höhere Lebenserwartung und die abnehmende Geburtenrate in Deutschland anschauen, wird die Rente mit 70 perspektivisch kommen müssen“. Der Vorschlag zum Modell der SPD Tarifkonten einzuführen, trifft bei den Arbeitgebern auf Zustimmung. Der Sozialverband dagegen will die Rente mit 67 wieder abschaffen.
Nach geltender Rechtslage wird das gesetzliche Renteneintrittsalter zwischen 2012 und 2029 in monatlichen Schritten von derzeit 65 auf 67 Jahre angehoben. Hüther forderte die Bundesregierung in der „Rheinischen Post" auf, diesen Prozess fortzusetzen. „Wir sollten 2029 nicht aufhören, das Rentenalter anzuheben, sondern auch danach damit fortfahren“, empfahl der Ökonom.
Die neu entflammte Debatte in der SPD über die Rente mit 67 nannte Hüther fatal: „Man muss schon blind sein, wenn man die Folgen der alternden Gesellschaft nicht sieht.“ Zuvor hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel eine Aussetzung ins Gespräch gebracht.
Der Rentenexperte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Alexander Gunkel, warf der SPD vor, in ihrer Regierungszeit in der Großen Koalition Rentenkonten verhindert zu haben. Der Vorschlag von Ex-SPD-Chef Kurt Beck, Nachteile durch die Rente mit 67 nun aber über tarifvertraglich zu vereinbarende individuelle Rentenkonten auszugleichen, stoße daher auf Zustimmung. „Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident rennt mit diesem Vorschlag bei der Wirtschaft offene Türen ein“, sagte Gunkel dem „Handelsblatt“.
Der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen rechnet allerdings wegen der anziehenden Konjunktur ohnehin mit Rentenerhöhungen. Die Bezüge der 20,2 Millionen Ruheständler könnten möglicherweise bis zu zwei Jahre früher angehoben werden als bisher erwartet. „Wenn wir dauerhaft über 1,5 Prozent Wachstum haben, können die Renten schon 2015 oder 2016 wieder steigen“, sagte Raffelhüschen der „Bild“-Zeitung.
Sozialverband befürchtet „faktische Rentenkürzung“
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) forderte jedoch, die Gesetzesreform komplett einzustampfen und die bestehende Altersgrenze von 65 Jahren langfristig beizubehalten. Die Voraussetzungen für die Rente mit 67 seien einfach nicht gegeben, sagte Verbandspräsident Adolf Bauer der „Braunschweiger Zeitung“.
Schon gegenwärtig arbeite nur jeder 20. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bis 65. „Deshalb bedeutet das höhere Renteneinstiegsalter eine faktische Rentenkürzung“, beklagte er. Nach der im Gesetz vorgesehenen Überprüfung der Regelungen, die bis Jahresende erfolgen muss, müsse die Rente mit 67 deshalb „endgültig zurückgezogen“ werden.
Der SPD-Rentenexperte Anton Schaaf warf dem Arbeitsministerium vor, die Berichtspflicht nicht ernst zu nehmen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe „voreilig“ schon vor dem Bericht erklärt, dass sie an der Rente mit 67 nicht rütteln lasse wolle. „Das deutet darauf hin, dass sie die Rente mit 67 auf Biegen und Brechen einführen will,“ sagte er und plädierte für ein Aussetzen.
Ähnlich argumentierten die Grünen. „Trotz leichter Verbesserungen ist die Arbeitsmarktlage für ältere Arbeitnehmer weiterhin schwierig“, sagte der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Nach seiner Ansicht sollte der Starttermin 2012 verschoben werden.