Kommunen sehen den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung in Gefahr. Familienministerin Schröder ist mit dem Krippenausbau zufrieden.
Köln. Ungeachtet der heftigen Klagen der Kommunen will Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) an dem für 2013 vereinbarten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung festhalten . "Das Ziel, bis dahin bundesweit für 35 Prozent der unter Dreijährigen Betreuungsplätze anzubieten, ist realistisch", sagte Schröder gestern bei der Vorstellung eines ersten Zwischenberichts in Berlin. Bund, Länder und Kommunen hatten sich auf die Quote bis 2013 verständigt, zugleich soll es einen Rechtsanspruch auf Betreuung geben, sobald ein Kind ein Jahr alt ist.
"Darüber lasse ich nicht mit mir reden", sagte Schröder . Auch bei angespannter Haushaltslage müssten Länder und Kommunen Prioritäten setzen. Dem Kabinett legte die Ministerin einen Bericht über den Ausbau der Tagesbetreuung vor. Danach gab es im vergangenen Jahr bundesweit für 20 Prozent der Kleinkinder Krippenplätze - allerdings mit sehr unterschiedlichem Stand in den einzelnen Bundesländern. "Wir liegen mit dem bundesweiten Ausbau der Kita-Plätze voll im Zeitplan", sagte Schröder. Sie kündigte an, in den nächsten vier Jahren zusätzlich insgesamt rund 400 Millionen in 4000 Kitas vor allem in sozialen Brennpunkten zu investieren.
Dagegen sieht der Deutsche Städtetag den Rechtsanspruch auf Krippenplätze für unter Dreijährige in Gefahr. Der Anspruch sei eine Herkulesaufgabe, bei der Bund und Länder sowohl den Betreuungsbedarf als auch die Kosten unterschätzt hätten, teilte der Deutsche Städtetag gestern in Köln mit. Stephan Articus, der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, warnte, der Rechtsanspruch drohe zu scheitern, wenn die Städte nicht wüssten, wie viele Plätze gebraucht und wie sie finanziert würden. Zudem reicht die Betreuungsquote von 35 Prozent laut Articus nicht aus. Er verwies auf eine Modellrechnung des Statistischen Bundesamtes, wonach der Rechtsanspruch noch 510.000 Plätze statt der angenommenen 290 000 Plätze erforderlich mache. Ministerin Schröder widersprach der Kritik und nannte die Zahlen "an den Haaren herbeigezogen".
Ein Mann für jede Kita - Ministerin stellt Programm vor
Doch auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) bezweifelt, dass das Versprechen eines Kita-Platzes für jedes Kind realistisch ist. DStGB-Geschäftsführer Gerd Landsberg sagte dem Hamburger Abendblatt, der errechnete Bedarf an Betreuungsplätzen für unter Dreijährige stamme aus Erhebungen aus dem Jahr 2002. "Der heutige Bedarf wird höher sein", sagte Landsberg. "Wir fordern deshalb eine aktuelle Analyse des Betreuungsbedarfs, der auch nach Regionen unterscheidet." Der Bedarf in Hamburg sei sicher höher als in Mecklenburg-Vorpommern.
Landsberg forderte Bund und Länder auf, ein tragfähiges Finanzierungskonzept aufzustellen. "Die ursprünglich vorgesehenen Kosten in Höhe von etwa zwölf Milliarden Euro werden nicht reichen", sagte Landsberg. "Denn immer mehr Eltern wollen einen Platz in der Kita, was deutlich teurer ist als die Betreuung durch die Tagesmutter."
Unterstützung erhält Schröder von Katja Dörner, der familienpolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Der Rechtsanspruch auf Krippenplätze komme zwar spät, sei aber richtig, sagte Dörner dem Abendblatt. Es müsse aber über die veralteten Schätzungen diskutiert werden: "Die Grünen fordern die Einberufung eines Krippengipfels auf der Basis aktueller und valider Erhebungen über den Bedarf an Krippenplätzen", sagte die Grünen-Politikerin. "Vor allem aber muss der Bund Druck auf die Länder ausüben, dass die zusätzlichen Einnahmen über die Umsatzsteuer, die der Bund den Ländern zweckgebunden zur Verfügung stellt, auch tatsächlich für die Kinderbetreuung ausgegeben werden." In Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen seien die zusätzlichen Gelder bisher nicht wie vereinbart den Kindern zugutegekommen, sondern in den allgemeinen Haushalt geflossen.
Auch die Arbeiterwohlfahrt warnte, der Kita-Ausbau halte nicht mit dem "offenkundig wachsenden Bedarf der Eltern" mit, vor allem in Ballungsgebieten. Der Verband rief Schröder ebenfalls dazu auf, einen neuen Kita-Gipfel einzuberufen, damit Bund, Länder, Kommunen und Träger gemeinsam für bestehende Finanzierungsprobleme Lösungen finden könnten. Schröder lehnt das jedoch ab.