Die wichtigsten Institutionen wie GTZ, DED und Inwent fusionieren. Doch die Opposition im Bundestag spricht von Niebels „kleinem Wurf“.
Berlin. Wenn deutsche Entwicklungsorganisationen in armen Partnerländern auftauchen, ist die Freude über die Hilfe meist ebenso groß wie die Verwirrung über die vielen deutschen Institutionen. Es gibt so unterschiedliche Ansprechpartner, Strukturen und Verfahren der Entwicklungsorganisationen aus Deutschland – da verlieren die Geldempfänger schlicht den Überblick.
Geht es nach Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), hat die Orientierungslosigkeit bald ein Ende. Das Bundeskabinett hat grünes Licht für eine Fusion der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) und der Weiterbildungsgesellschaft Inwent gegeben. Die drei Organisationen, die zusammen weltweit etwa 17.000 Mitarbeiter beschäftigen, sollen in einer neuen staatlichen Entwicklungsorganisation aufgehen.
Diese neue „Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ soll für einen einheitlichen Auftritt in den Partnerländern sorgen, die Entwicklungshilfe effektiver einsetzen und die Gestaltungskraft des Ministeriums erhöhen. Der ehemalige Zeitsoldat Niebel will wieder die Mütze aufhaben. Das geflügelte Wort, dass der Schwanz (die Entwicklungsorganisationen) mit dem Hund (dem Ministerium) wackelt, soll Niebels Kritikern künftig nicht mehr über die Lippen kommen.
Die Hilfsorganisation Oxfam hat der Bundesregierung „Wortbruch“ bei den Entwicklungshilfezusagen vorgeworfen. Die ursprünglich für 2011 angepeilte Etaterhöhung für das Entwicklungshilfeministerium bleibe aus, kritisierte der Finanzexperte der Hilfsorganisation, Tobias Hauschild. Der Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt sei „entwicklungspolitisch eine große Enttäuschung“. Der Bund verstoße damit gegen seine internationalen Zusagen zur Erhöhung der Entwicklungshilfe.
Theoretisch ist es dem Entwicklungskämpfer bisher gelungen, seine Ziele umzusetzen. Von Anfang an hat er die betroffenen Organisationen einbezogen und bislang seinen ambitionierten Zeitplan eingehalten. Bereits am 1. Januar 2011 soll die neue Organisation die Arbeit aufnehmen. „Wir haben hier in acht Monaten erreicht, was andere in acht Jahren nicht geschafft haben“, sagt der Minister gern genüsslich.
Damit meint der 47-Jährige seine Amtsvorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die mit ihrem Plan scheiterte, die beiden wichtigsten Organisationen GTZ und KfW Entwicklungsbank zusammenzuführen.
Doch das Eigenlob des ehemaligen FDP-Generalsekretärs ist nur die halbe Wahrheit. Denn woran sich Wieczorek-Zeul verkämpfte, das lässt Niebel schlicht außen vor: Die mächtige KfW und damit die finanzielle Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern ist in die Reform zunächst nicht miteinbezogen. Die Opposition im Bundestag spricht daher auch kritisch von Niebels „kleinem Wurf“.
Die eigentliche Bewährungsprobe des Entwicklungsministers beginnt erst, wenn die neue Organisation ihre Arbeit aufnimmt. Dann wird sich zeigen, ob sich nicht nur die äußerlichen Voraussetzungen, sondern auch die Qualität der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verbessert.
Den Nichtregierungsorganisationen ist es ein Dorn im Auge, dass das einheitliche mediale Erscheinungsbild der Unterstützung „made in Germany“ im Reformkonzept eine große Rolle spielt, über Inhalte dagegen weniger geredet wird. Wichtig sei nicht die Visitenkarte, sondern die Hilfe für die Partnerländer, sagt der Vorsitzende des Verbands Entwicklungspolitik, Ulrich Post. „Ein einheitliches Logo hilft nicht bei Armutsbekämpfung“, betont Post, dessen Verband mehr als 100 kirchliche und private Hilfswerke repräsentiert. Auch der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sascha Raabe, kritisiert, dass es Niebel vor allem darum gehe, Entwicklungszusammenarbeit unter deutscher Flagge werbewirksam zu verkaufen.
Mit der Reform der Entwicklungshilfe holt sich das Ministerium wieder ein großes Stück Macht und Steuerungsfähigkeit zurück. „Entscheidend ist, ob Niebel und seine Mitarbeiter der Aufgabe einer politischen Steuerung auch gewachsen sind“, sagt die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Ute Koczy. Der Umstand, dass der ehemalige Fallschirmjäger viele Spitzenpositionen in seinem Haus mit fachfremden Parteifreunden besetzt habe, stimme sie nicht gerade optimistisch. „Wenn das Ministerium tatsächlich zum Anwalt für entwicklungspolitische Kohärenz werden will, setzt dies viel Fingerspitzengefühl voraus“, so Koczy.
Für die armen Länder ist es schon eine Erleichterung, wenn ihre Förderer künftig nur noch unter dem Logo der Bundesregierung die Unterstützung von Projekten anbieten. Eine Erfolgsgeschichte wird die Hilfe aus Deutschland aber erst, wenn das deutsche Fähnchen nicht mehr notwendig ist.