Gerungen wird noch um Details der Finanztransaktionssteuer. Strittig bleibt der von der Opposition geforderte Schuldentilgungsfonds.
Berlin. Die Spitzen von Regierung und Opposition sind am Donnerstagmorgen im Kanzleramt zu einer neuen Verhandlungsrunde über die Ratifizierung des europäischen Fiskalpakts zusammengekommen. SPD und Grüne stellen für ihre Zustimmung bei der Ende des Monats geplanten Abstimmung noch Bedingungen. Grundsätzlich haben sie aber den Willen zur Einigung unterstrichen. Bei Vorgesprächen am Mittwochabend hatte es weitere Fortschritte gegeben. Vertreter von Union, FDP, SPD und Grünen hatten sich auf ein gemeinsames Papier mit dem Titel „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“ verständigt. Gerungen wird noch um Formulierungen bei der Finanztransaktionssteuer. Strittig bleibt der von der Opposition geforderte Schuldentilgungsfonds.
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Am 29. Juni sollen den bisherigen Plänen zufolge der dauerhafte Euro-Rettungsschirm (ESM) und der europäische Fiskalpakt mit schärferen Haushaltsregeln von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Der ESM soll am 1. Juli in Kraft treten. Für die Ratifizierung des Fiskalpakts sind Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig. Für Samstag ist ein weiterer Termin reserviert, falls die Verhandlungen am Freitag nicht zum Ende kommen. Bund und Länder treffen sich dann am Sonntag zum Spitzengespräch über ihre künftigen Finanzbeziehungen im Kanzleramt. Dabei soll versucht werden, eine Zustimmung der Länder zum Fiskalpakt zu erreichen.
SPD sieht Chancen für Einigung
Die SPD forderte „verbindliche Vereinbarungen“. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte dem „Handelsblatt“, dann komme man einem gemeinsamen Beschluss des Bundestags „ein gutes Stück näher“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, verlangte am Morgen in der ARD „ein eindeutiges, ein klares, ein unumkehrbares Bekenntnis“ von der Bundesregierung zur Finanztransaktionssteuer. Die FDP versuche, sich weiter Schlupflöcher aus der Besteuerung für Börsengeschäfte offen zu halten. Mit Blick auf einen europäischen Schuldentilgungsfonds forderte Oppermann, dass es zumindest einen Prüfauftrag geben müsse, wie dieser vorangebracht werden könne.
Die Grünen halten sich eine mögliche Zustimmung zum Fiskalpakt nach Worten von Parteichef Cem Özdemir bis zuletzt offen. „Wir verhandeln bis zum Schluss“, sagte Özdemir im Deutschlandfunk. Es gebe „keinen Blankoscheck, so lange wir nicht in allen Punkten ein Ergebnis haben“. Die Grünen wollten „den Druck aufrecht erhalten“. Als offenen Punkt nannte Özdemir etwa den Altschuldentilgungsfonds. Die Finanztransaktionssteuer müsse zudem bis Ende 2012 kommen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin betonte vor dem Treffen im Kanzleramt, beim Thema Fiskalpakt müsse Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Trittin verwies darauf, dass für Samstag ein weiterer Termin reserviert sei.
Linke will Verfassungsgericht anrufen
Unionsfraktionschef Volker Kauder schloss die Einführung eines europäischen Schuldentilgungsfonds erneut aus. Dies sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, sagte der CDU-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“. Dennoch glaube er an eine Einigung von Regierung und Opposition. Es seien nur noch wenige Fragen offen. Einen Abschluss werde es am Donnerstag aber noch nicht geben. Die Opposition will erst ein Spitzentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti, dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande und dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy am Freitag in Rom abwarten.
Mit Eilanträgen vor dem Bundesverfassungsgericht wollen die Linksfraktion und eine Bürgerinitiative die Ratifizierung des EU-Fiskalpakts im letzten Moment stoppen. Wie die „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstagausgabe) berichtet, wollen sie das Gericht anrufen, sobald Bundestag und Bundesrat den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM am 29. Juni verabschiedet haben. Damit wollen sie die Unterzeichnung des Gesetzes durch Bundespräsident Joachim Gauck stoppen. Der Linkspartei-Abgeordnete Wolfgang Neskovic sprach in der Zeitung von einem „schmalen Fenster“, das seine Fraktion nutzen wolle, um die Ratifizierung zu verhindern. Für die Linke ist die Parteivorsitzende Katja Kipping im Kanzleramt bei den Gesprächen dabei.
Auch die ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, deren Verfassungsklage gegen den Fiskalpakt sich schon rund 12.000 Bürger angeschlossen haben, will das Gericht um eine einstweilige Anordnung ersuchen. Die Kläger sehen die Haushaltsrechte des Bundestags durch die Verträge verletzt.
Mit Material von dpa und dapd