Die Zeit drängt: Schwarz-Gelb will noch vor der Sommerpause den Fiskalpakt und den Rettungsschirm ESM beschließen. Neuer Wirbel um eine Finanzsteuer bremst eine rasche Einigung mit der Opposition.
Berlin. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht trotz des Streits zwischen Regierung und Opposition über den europäischen Fiskalpakt weiter die Chance für eine deutsche Entscheidung noch vor der Sommerpause. „Ich sehe jetzt keinen Selbstzweck darin, die Abstimmung darüber in den Herbst hinein zu verschieben“, sagte Steinmeier am Dienstag im ZDF. Wenn Regierung und Opposition bei einem verbindlichen Zeitplan für die Finanzsteuer und bei zusätzlichen Wachstumselementen schnell zueinander fänden, könne man vor der Sommerpause fertig werden. „Man kann fertig werden mit der Ratifikation in Deutschland“. Der Schlüssel dafür liege bei der Regierung.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sieht diese Chance nach eigenen Worten ebenfalls, auch wenn ein Gespräch zwischen Koalition und Opposition am Dienstagabend auf der Ebene der Fraktionsgeschäftsführer keine Einigung brachte. Oppermann rechnet aber nicht unbedingt mit einer Verständigung am Mittwoch, wie er dem Deutschlandfunk sagte. Dann treffen sich die Partei- und Fraktionschefs erneut bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Oppermann forderte, dass auf europäischer Ebene noch in diesem Sommer eine Grundsatzentscheidung auf die umstrittene Steuer auf Finanzgeschäfte fällt. „Das muss die Regierung verbindlich zusagen.“ Zudem müsse das europäische Verfahren für eine stärkere Zusammenarbeit in dieser Frage unter eine Gruppe von europäischen Staaten noch in dieses Jahr eingeleitet werden. Ein entsprechender Zeitplan müsse vom deutschen Kabinett beschlossen werden.
Steinmeier forderte von der Regierung ein Einlenken, um einen „klugen Mix“ aus Ausgabendisziplin und Instrumenten zur Wachstumsförderung in Europa herzustellen. Der Fiskalpakt allein reiche nicht aus. Ob eine schnelle Verständigung gelingt, hänge wesentlich von der Regierung ab. Von Merkel wolle die SPD am Mittwoch noch einmal hören, ob die Koalition zu der Ende vergangener Woche erzielten Einigungsformel auf eine neue Finanztransaktionssteuer stehe – „ob das gilt oder nicht“.
Der SPD-Fraktionschef reist am Dienstag mit anderen Spitzenvertretern seiner Partei, darunter SPD-Chef Sigmar Gabriel, zu einem Gespräch mit Frankreichs Präsidenten Francois Hollande. Ein Ziel der Sozialdemokraten sei es, zusammen mit sozialistischen Partnern in anderen europäischen Ländern für die schnelle Einführung einer Finanztransaktionssteuer einzutreten.
Die schwarz-gelbe Koalition muss allerdings weiter um eine rasche Zustimmung zum Fiskalpakt fbangen. Koalition und Opposition lagen auch nach weiteren Verhandlungen bis zum späten Montagabend auseinander. Union und FDP hoffen dennoch auf einen Durchbruch bei einem Spitzentreffen an diesem Mittwoch. Die Grünen dämpften angesichts der Differenzen die Erwartungen an eine Einigung. Auch in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Umsetzung des Fiskalpaktes zeichnet sich bisher keine Lösung ab.
Nach dem rund zweistündigen Gespräch mit Kanzleramtsminister Ronald Pofalla zeigte sich der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle am späten Montagabend optimistisch. Der Fiskalpakt werde gemeinsam mit dem Euro-Rettungsschirm ESM noch vor der Sommerpause mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag verabschiedet. Dafür benötigt die schwarz-gelbe Regierung Stimmen aus der Opposition. Auch im Bundesrat ist Schwarz-Gelb auf SPD und Grüne angewiesen.
Die Grünen pochen weiter auf verbindliche Zusagen für eine Finanztransaktionssteuer und Erleichterungen für Schuldenstaaten, wie Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte. „Zur Finanztransaktionssteuer haben wir deutlich gemacht, dass wir einen verbindlichen Fahrplan brauchen“, so Beck. „Die Steuer muss so schnell, wie das in den europäischen Gremien möglich ist, auf den Weg gebracht werden.“ Terminplan und Eckpunkte sollten im Kabinett beschlossen werden. Die Koalition habe Verständnis gezeigt.
Zum geforderten ökologischen Wachstumspakt und einem forcierten Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit werde eine Arbeitsgruppe an diesem Dienstag erneut tagen. Die Koalition solle auch ihre Blockade der EU-Effizienzrichtlinie aufgeben. Noch grundsätzliche Fragen gebe es zur Oppositionsforderung eines Schuldentilgungsfonds zu klären.
Das Spitzentreffen am Mittwoch werde nicht die letzte Runde zum Thema sein. „Wir haben darüber gesprochen, dass es voraussichtlich am Mittwoch nicht der letzte Termin sein wird“, sagte Beck. „Die Grünen haben beim Fiskalpakt keine Eile. Wenn die Regierung etwas Einigungsfähiges vorlegt, sind wir bereit, darüber zu reden.“
FDP-Experte Volker Wissing bekräftigte, die Koalition stehe zur Vereinbarung mit der Opposition für eine Finanzsteuer. Es werde nun versucht, beim Spitzentreffen am Mittwoch einen Konsens zu erzielen. Wissing räumte ein: „Es ist klar erkennbar, dass die Verhandlungen nicht einfach sind.“ Forderungen nach einem Altschuldentilgungsfonds in der Euro-Zone lehnte Wissing ab.
Auch SPD-geführte Länder kamen am Abend in Berlin zu Gesprächen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Umsetzung des Fiskalpaktes zusammen. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) sagte anschließend: „In wichtigen Fragen liegen wir noch weit auseinander.“ Eine entscheidende Frage sei die Verbesserung der Kommunalfinanzen. Der Bund sollte schrittweise in die Finanzierung der Eingliederungshilfen einstiegen. Diese machen jährlich etwa 13 Milliarden Euro aus – mit steigender Tendenz.
Nach Angaben Barthles gibt es noch eine Reihe von Unstimmigkeiten. Die Grünen forderten auch Gespräche über eine Bankenunion. Barthle warf der Opposition vor, jetzt alles daran zu setzen, auf Zeit zu spielen und auf keinen Fall schon an diesem Mittwoch mit Merkel zu einem Abschluss zu kommen. Dennoch betonte er: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir den ESM und den Fiskalpakt noch vor der Sommerpause abschließen können.“
Zuletzt fühlte sich die Opposition durch Äußerungen von Pofalla provoziert, wonach man ruhig grünes Licht für die Finanzsteuer geben könne, weil sie angesichts langwieriger Verfahren auf EU-Ebene eher wenig Chancen auf Umsetzung noch in der dieser Wahlperiode habe.
Schäuble stellte klar: „Die Opposition kann sich völlig auf die Zusagen der Koalition verlassen.“ Es liege aber nicht allein an Deutschland, eine solche europäische Regelung in kurzer Zeit zu Stande zu bringen. Zu Forderungen nach konkreten Beschlüssen sagte er: „Wir können als Kabinett das noch einmal beschließen.“ Das Kabinett habe diese Steuer bereits im Juni 2010 beschlossen.
Mit Material von rtr und dpa