Der Innenminister hat Athen zum Austritt aus der Euro-Zone geraten und sich damit gegen den Regierungskurs gestellt. SPD: “Ein Tollhaus.“
Berlin. Es ist ein deutlicher Widerspruch zur Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - und würde einen radikalen Kurswechsel im Umgang mit dem hoch verschuldeten Griechenland bedeuten: Ausgerechnet vor der heutigen Bundestagsabstimmung über das zweite Rettungspaket für Athen hat Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) als erstes Kabinettsmitglied für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone geworben.
"Außerhalb der Währungsunion sind die Chancen Griechenlands, sich zu regenerieren und wettbewerbsfähig zu werden, mit Sicherheit größer, als wenn es im Euro-Raum verbleibt", sagte Friedrich dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Er rede nicht davon, "Griechenland rauszuschmeißen, sondern Anreize für einen Austritt zu schaffen, die sie nicht ausschlagen können", so der CSU-Politiker.
Die Bundesregierung bemühte sich am Wochenende, einen offenen Streit über den Euro-Kurs zu vermeiden. Weder die Kanzlerin noch andere Minister kommentierten Friedrichs Äußerungen. Allerdings sollen nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nicht mehr an einen Erfolg der bisherigen Krisenbewältigungsstrategie glauben. Aus Regierungskreisen hieß es dazu nur, die Politik der Bundesregierung ziele "unverändert" auf eine Stabilisierung Griechenlands in der Euro-Zone mit massiven Eigenanstrengungen der Griechen und europäischer Hilfe ab. Dem diene das zweite Hilfsprogramm, über das der Bundestag nun entscheide. Mit Blick auf den Innenminister hieß es: "Die Bundesregierung hat dem Parlament dazu eine mit allen Ressorts abgestimmte Vorlage zugeleitet."
+++ Griechen müssen mit jedem Cent rechnen +++
Unterstützung bekam Friedrich vom Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Das Land habe nur eine Chance auf wirtschaftliche Erholung, wenn es wieder eine eigene Währung einführe, sagte er dem "Euro am Sonntag" laut Vorabbericht.
+++ Griechenland legt Angebot für Schuldenschnitt vor +++
Die Opposition attackierte Friedrich heftig. "Das ist ein Stück aus dem Tollhaus", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Die CSU laufe völlig aus dem Ruder. Der europapolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, der Hamburger Abgeordnete Manuel Sarrazin, bezeichnete Friedrichs Aussage als "unverantwortlich für Europa". Die Debatte um die Zukunft Griechenlands in der Euro-Zone müsse beendet werden. "Andernfalls wird das Land kaum noch Chancen haben, auch nur einen Cent an Investitionen zu generieren - doch genau solche Impulse im wirtschaftlichen Bereich sind dringend erforderlich, um das Land wieder auf die Beine zu bringen", sagte er dem Abendblatt. "Wenn jetzt die Griechen aus dem Euro austreten würden, hätte das massive soziale Kosten zur Folge." Die politische Stabilität in Griechenland und der gesamten Region würde aufs Spiel gesetzt.
Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stellt sich gegen Friedrich. "Die Griechen müssen in der Euro-Zone bleiben", sagte sie gestern Abend in Hamburg auf einer Veranstaltung des "Spiegels" und der Körber-Stiftung. "Wenn die Griechen rausgehen, suchen sich die Finanzspekulanten den nächsten schwächsten Kandidaten: Portugal, Spanien oder Irland."