Ein befreundeter Unternehmer bezahlte Wulff das Hotel. Der heutige Bundespräsident habe die Kosten später aber erstattet, sagt sein Anwalt.
Berlin. Es sind schon viele Loblieder auf das "Hotel Stadt Hamburg" auf Sylt gesungen worden. Charme, Stil und geschmackvoller Luxus werden dem Haus nachgesagt, das bereits in dritter Familiengeneration geführt wird und mitten in Westerland an der schmalen Strandstraße liegt. In nur wenigen Minuten erreicht man von hier aus das Meer.
Auch Christian Wulff hat die Annehmlichkeiten des Hotels kennengelernt. Noch als niedersächsischer Ministerpräsident hatte er hier vom 31. Oktober bis 3. November 2007 mit seiner heutigen Ehefrau Bettina einen Kurzurlaub verbracht. Jetzt ist genau dieser Aufenthalt neuer Mittelpunkt der Affäre um mögliche Vergünstigungen geworden, die Wulff seit Anfang Dezember umranken. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Ermittlungen in der Sache aufgenommen.
+++ Debatte: In der Affäre Wulff nicht lockerlassen +++
Worum geht es? Wie die "Bild"-Zeitung gestern berichtete, war zeitgleich zum dreitägigen Wulff-Trip nach Sylt auch der Filmunternehmer David Groenewold im Hotel Stadt Hamburg abgestiegen. Er gilt als enger Freund Christian Wulffs - und war in den vergangenen Wochen schon einmal in die Schlagzeilen geraten, weil er dem CDU-Politiker ein Upgrade für eine Suite in einem Hotel in München bezahlt haben soll. Und auch dieses Mal geht es um die Zimmerrechnung: Es war nämlich Groenewold, der laut "Bild" Wulffs Suite sowohl gebucht als auch per Kreditkarte bezahlt haben soll. Die Kosten beliefen sich demnach auf 258 Euro pro Nacht. Besonders pikant ist, dass Groenewold vor drei Wochen, also Mitte Januar 2012, versucht haben soll, den Vorfall zu vertuschen. Wie das Blatt weiter berichtet, habe der Filmunternehmer das Hotel gebeten, über den gemeinsamen Urlaub mit Wulff Stillschweigen zu bewahren. "Hr. David Groenewold hat gestern angerufen, wir sollen keinerlei Infos über ihn rausgeben", wird aus einer internen Aufgabenliste des Hotels zitiert. Und weiter: "Falls also ,Bild' oder ,Spiegel' anrufen, wir wissen von nichts." Nur wenig später soll Groenewold selbst in Westerland vorstellig geworden sein, um Rechnungen und Belege über den Kurzurlaub abzuholen.
Über seine Rechtsanwälte hat Groenewold gestern einen Manipulationsvorwurf zurückgewiesen. Der Verdacht, er habe versucht, Unterlagen verschwinden zu lassen oder Informationen zu vertuschen, "entbehrt jeder Grundlage", wie es in einem Schreiben der Kanzlei hieß. Wulffs Anwalt Gernot Lehr teilte mit, sein Mandant habe die Kosten des Hotelaufenthalts "in voller Höhe selbst bezahlt", und zwar "in bar im Hotel beim Auschecken, als Herr Wulff seine während des Aufenthalts entstandenen Nebenkosten gegenüber dem Hotel beglich". Groenewold habe nur die Buchung und die vorläufigen Zimmerkosten übernommen, das Geld also lediglich ausgelegt.
+++ Debatte: Wir sollten Politiker besser bezahlen +++
+++ Nach Kreditaffäre: Wulff ist unbeliebter als Westerwelle +++
Die Staatsanwaltschaft in Hannover ist trotzdem alarmiert - und erklärte, Details aus den neuen Berichten könnten Indizwirkung für den Verdacht auf eine Straftat haben. Man nehme dies "mit großem Ernst zur Kenntnis", sagte Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel dem "Tagesspiegel". Teil der "gründlichen Untersuchung" sei die Berichterstattung über den angeblichen Versuch Groenewolds, Hotelbelege in seinen Besitz zu bringen. Die Behörde ermittelt bereits im Zusammenhang mit der Lobby-Veranstaltung Nord-Süd-Dialog vor einigen Jahren in Niedersachsen wegen Verdachts der Bestechlichkeit gegen den langjährigen Wulff-Vertrauten und dessen Ex-Sprecher Olaf Glaeseker.
Unklar ist, ob es auch geschäftliche Beziehungen zwischen Wulff und Groenewold gegeben hat. Die "Bild"-Zeitung berichtet, der Unternehmer habe 2007 eine Filmfirma gegründet, für die er vom Land Niedersachsen eine Millionen-Bürgschaft erhalten haben soll. Laut Wulffs Anwalt Lehr wurde die Bürgschaft aber nie genutzt, weil das Filmprojekt nicht realisiert worden sei.
Die Opposition verstärkte angesichts der neuen Vorwürfe ihre Attacken gegen Wulff. Grünen-Chefin Claudia Roth warf ihm eine "Schnäppchenjägermentalität" vor. "Wir haben offensichtlich einen Bundespräsidenten, der eine Handkasse dabei hat. Erst lässt er sich einladen und dann zahlt er aber in bar", sagte sie dem Sender N24. Für den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, "ist eine Grenze erreicht", wie er gestern betonte. Wulff könne sein Amt nicht mehr unbefangen ausüben. Die SPD hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wiederholt angeboten, gemeinsam einen Nachfolger für Wulff zu suchen.