Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde sieht mangelnde Aufklärung in der DDR als Ursache für ein Erstarken des Rechtsextremismus im Osten.
Frankfurt/Main. Das Erstarken des Rechtsextremismus in Ostdeutschland hat für den Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, seine Ursache auch in der Zeit vor der Wende. „Die Stasi-Akten belegen, dass es in der DDR Rechtsextremismus gab – in der Öffentlichkeit und im Verborgenen“, sagte der Behördenleiter der „Frankfurter Rundschau“ (FR). Der "Berliner Zeitung" sagte er: "Es gab kleine Nazitruppen, die den Nationalsozialismus und die SS verherrlicht haben.“ Die Stasi habe diese wie alles andere im Blick gehabt und dabei „das ganze Instrumentarium bis zum Einsatz von Spitzeln genutzt“. Die Zahl rechtsradikaler Skinheads in der DDR habe die Staatssicherheit auf rund 1.000 geschätzt. Ob dies den Tatsachen entspreche, sei offen, sagte er der FR.
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Als weitere Ursache nannte Jahn die Zeit des Umbruchs in der DDR. Schon bald nach der Wende hätten ihm junge Neonazis gesagt: „Wir sind nicht angepasst wie unsere Eltern in der DDR. Wir stehen zu unserer Meinung. Darauf sind wir stolz.“ Auch gebe es Übereinstimmungen zwischen den Denkmustern der Propaganda der DDR und jener der Neonazis wie etwa den Militarismus und das Unterdrücken anderer Meinungen.
Jahn sagte, die Stasi habe die Ursachen des Rechtsradikalismus in der DDR nicht richtig erforscht. „Sie wollte den Beweis führen, dass diese rechtsextremistischen Positionen vom westlichen Klassenfeind gekommen sind. Den Nachweis konnte die Stasi nicht erbringen“, sagte er. Für einen Überfall von Skinheads auf Besucher der Berliner Zionskirche 1987 seien Leute verurteilt worden, sagte Jahn. Die Stasi habe aber versucht, das als Taten von Kriminellen darzustellen und nicht als politisches Phänomen, das seine Ursache in der DDR hat. „Es sollte nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf. Denn die DDR war gegründet auf dem antifaschistischen Mythos.“
Mit Material von dpa/dapd