Vorwurf der Bestechung: Glaesekers Privat- und Geschäftsräume sowie Räumlichkeiten des Eventmanagers Schmidt wurden durchsucht.
Hannover/Berlin. Im Zusammenhang mit der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff ist am Donnerstag das Privathaus seines ehemaligen Pressesprechers Olaf Glaeseker durchsucht worden. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Hannover durchkämmten Beamte des Landeskriminalamtes am Donnerstag das Haus von Glaeseker im niedersächsischen Wunstorf sowie Wohn- und Geschäftsräume des Eventmanagers Manfred Schmidt in Berlin und der Schweiz. Glaeseker und Schmidt werden Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung vorgeworfen, wie Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel mitteilte.
Aufgrund von Medienberichten und Ermittlungen bestehe der Verdacht, dass Glaeseker in den Jahren 2007 bis 2009 die Durchführung und Finanzierung des von Schmidt organisierten Nord-Süd-Dialogs „gefällig gefördert“ habe, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Als Gegenleistung habe Glaeseker mehrfach unentgeltlich Urlaube in Ferienhäusern von Schmidt gemacht.
Oberstaatsanwalt Lendeckel sprach auf dapd-Nachfrage am Donnerstag davon, dass seine Behörde inzwischen von einem „qualifizierten Anfangsverdacht“ gegen Glaeseker ausgehe. „Das ist ein bisschen mehr als nur ein Anfangsverdacht“, erklärte er.
Glaeseker soll ab 2008 mit seiner Frau dreimal in Auslandsquartieren des Eventunternehmers Manfred Schmidt gratis Urlaub gemacht haben. Der 50-Jährige, der als enger Vertrauter von Wulff gilt, war damals Niedersachsens Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs und hätte als Landesbediensteter teure Geschenke wie einen Gratisurlaub vermutlich nicht annehmen dürfen. Wulff hatte Glaeseker am 22. Dezember ohne Angabe von Gründen entlassen.
Bei den Durchsuchungen wurden Schriftstücke und Computerdateien gesichert, die nun ausgewertet werden sollen. Gesucht wurde explizit nach Aufzeichnungen zum Nord-Süd-Dialog, den Urlaubsaufenthalten sowie allgemein beruflichen und privaten Verbindungen der beiden Beschuldigten miteinander.
Der „Nord-Süd-Dialog“ war eine privat organisierte Veranstaltungsreihe, bei denen sich niedersächsische und baden-württembergische Unternehmen präsentieren sollten. Die Schirmherrschaft hatten Wulff und der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) übernommen.
+++ Leitartikel: Bobby-Car-Niveau +++
Die Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International bezweifelt unterdessen, dass der Bundespräsident ausreichend Aufklärung in der Kredit- und Medienaffäre betrieben hat . „Vielleicht sind auch zum Teil noch nicht die richtigen Fragen gestellt worden“, sagte Edda Müller am Donnerstag in Berlin. Am Mittwoch hatten Wulffs Anwälte 240 Seiten mit Fragen und Antworten zu dem umstrittenen 500.000-Euro-Hauskredit des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, seinen Urlaubsreisen und seinen Kontakten zu befreundeten Geschäftsleuten ins Netz gestellt. Die entscheidende Frage sei für sie, ob es einen Zusammenhang von möglichen Vorteilen, die Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident gewährte, und Unterstützung wie etwa Reisen gebe. Das sei bislang noch „völlig offen“, sagte Müller.
Auch die Opposition im niedersächsischen Landtag lässt nicht locker. Während an diesem Freitag ein möglicher Untersuchungsausschuss im Parlament zur Diskussion steht, sind auch das Anrufen des Staatsgerichtshofes sowie Anfragen an den Landesrechnungshof und Ausschüsse des Landtags bei SPD, Grünen und Linken im Gespräch. Eine Entscheidung zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird es aber erst im Februar geben. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) vermied in einer Stellungnahme vor dem Parlament am Donnerstag jede Bewertung von Wulffs Handeln, auf das er mit keinem Wort einging. In der Sache brachten die Dutzenden Fragen der Opposition keine neuen Erkenntnisse - unter anderem, weil einige Fragen von der CDU/FDP-Regierung unter Verweis auf das Steuer- und Bankgeheimnis unbeantwortet blieben.
Die Landesregierung werde weiter bis zur letzten Frage des Landtags Rede und Antwort stehen, betonte McAllister. „Es ist nicht nur Recht, sondern auch Pflicht des hohen Hauses, die Arbeit der Landesregierung zu kontrollieren.“ Zugleich forderte der Nachfolger Wulffs im Amt des niedersächsischen Regierungschefs eine Rückkehr zum Routinegeschäft. „Wir haben noch viele andere wichtige Themen in Niedersachsen im Interesse der Menschen anzusprechen.“ Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) hatte zuvor erneut bekräftigt, Wulff habe mit der Annahme eines Kredits des Unternehmerehepaars Geerkens nicht gegen das Ministergesetz verstoßen. Es habe sich um eine private Angelegenheit gehandelt.
Das privat organisierte Wirtschaftstreffen von Niedersachsen und Baden-Württemberg, den "Nord-Süd-Dialog", habe die Staatskanzlei nicht finanziell unterstützt, sagte Möllring. Als Schirmherr des Treffens habe Wulff als damaliger Ministerpräsident aber mit Sicherheit dem ein oder anderen gesagt, „das ist eine wichtige Sache, da sollten sie sich beteiligen“. Sponsoren aus der Wirtschaft hatten das Treffen finanziert. Unterdessen sind die Deutschen weiterhin geteilter Meinung, ob Wulff wegen seiner Kredit- und Medienaffäre als Bundespräsident zurücktreten sollte. Im aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ sprachen sich 46 Prozent für einen Rücktritt Wulffs aus. 45 Prozent meinen, dass er Bundespräsident bleiben solle. Die Stimmungslage hat sich laut Infratest dimap damit seit der vergangenen Woche nicht verändert. Auch am 9. Januar waren 46 Prozent für einen Rücktritt, am 2. Januar hingegen nur 34 Prozent. Wulff steht seit Mitte Dezember wegen eines günstigen Hauskredits, wegen Urlauben bei vermögenden Freunden und wegen seinem Umgang mit den Medien in der Kritik. (dapd/dpa/abendblatt.de)
Hier finden Sie alle drei Dokumente, in denen Christian Wulff die Fragen verschiedener Journalisten beantwortet:
+++ Fragen & Antworten - Teil 1 +++