Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob sie ein Ermitlungsverfahren gegen die BW-Bank aufgrund des Wulff-Kredits eröffnet.
Berlin/Hannover. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft braucht für ihre Vorermittlungen in der Kreditaffäre um Bundespräsident Christian Wulff noch mehr Zeit. Entgegen den Planungen werde voraussichtlich erst am Mittwoch eine Entscheidung getroffen, ob die Behörde gegen die BW-Bank ein förmliches Ermittlungsverfahren eröffne, sagte eine Sprecherin der Anklagebehörde am Dienstag. Über das Ergebnis ihrer Vorprüfung wollte die Behörde ursprünglich am Dienstag informieren. Die Strafverfolger prüfen, ob ein Anfangsverdacht wegen Untreue oder Vorteilsnahme und -gewährung vorliegt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, sagte, bisher habe noch kein Vorwurf gegen Wulff belegt werden können.
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Wulff hatte nach Medienberichten einen Kredit, mit dem er als niedersächsischer Ministerpräsident ein privates Darlehen der Unternehmergattin Edith Geerkens ablöste, von der zur Landesbank LBBW gehörenden BW-Bank zu ungewöhnlich günstigen Zinsen von 0,9 bis 2,1 Prozent erhalten. Gegen die Bank waren deswegen ein Dutzend Strafanzeigen eingegangen. Im Fall von Vorteilsnahme und -gewährung träfen die Ermittlungen auch den Bundespräsidenten.
In der Union wird das Thema inzwischen demonstrativ gelassen behandelt. In der CSU-Landesgruppensitzung habe es keine Wortmeldungen zu dem Thema gegeben, sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am Dienstag. Unionsfraktionsgeschäftsführer Altmaier betonte das Aufklärungsinteresse, mahnte aber zur Zurückhaltung. „Wir müssen in Ruhe die Vorwürfe klären.“ Dazu setze er darauf, dass Wulff alle Fragen beantworte. „Aber noch kein einziger der Vorwürfe ist substanziiert belegt. Es ist nichts strafrechtlich belegt.“ Selbst Ermittlungsverfahren seien noch kein Beleg, sagte Altmaier mit Blick auf die anstehende Entscheidung in Stuttgart.
Altmaier hat zudem einen Zeitungsbericht dementiert, wonach seine Fraktion rechtliche Fragen zur Immunität von Bundespräsident Christian Wulff prüfe. „Mir ist das als parlamentarischer Geschäftsführer nicht bekannt“, sagte Altmaier am Dienstag in Berlin. Er betonte, solche Vorgänge würde er kennen, und er glaube nicht, dass sie hinter seinem Rücken geschähen. Der Bericht der „Bild“-Zeitung vom Dienstag entbehre jeder Grundlage, sagte Altmaier. Die „Bild“ berichtete unter Berufung auf Kreise des Bundestagsausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, das Gremium müsse sich mit der Aufhebung der Immunität des Staatsoberhauptes befassen, sollte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleiten. Nach Artikel 60, Absatz 4 Grundgesetz gilt für den Bundespräsidenten die normale Abgeordneten-Immunität. In einem Gutachten für die „Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht“ erachtet der Verwaltungsrechtler Hans Herbert von Arnim Ermittlungen gegen Wulff für nahezu unausweichlich.
Altmaier teilte mit, die Debatte um Wulffs umstrittenen Hauskredit und Umgang mit den Medien sei nicht auf die Tagesordnung für die Fraktionssitzung von CDU und CSU am Dienstagnachmittag gesetzt worden. „Da wird dieses Thema natürlich nicht draufstehen, weil solche Themen da nicht hingehören“, meinte Altmaier. Er erklärte, er halte Wulff nach wie vor für einen guten Bundespräsident und sei überzeugt, dass Wulff Vertrauen wiedergewinnen könne. Klar sei, dass die Politik nicht bestimme, wie lange noch Fragen gestellt würden.
Wulff reist nach Hannover
Erstmals nach Beginn der Kredit-Affäre ist Bundespräsident Wulff heute bei einem offiziellen Termin in Niedersachsen. Zusammen mit seinem Nachfolger im Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten, McAllister (CDU), wird er die Villa Seligmann als Europäisches Zentrum für Jüdische Musik in Hannover eröffnen. Wulff war von 2003 bis 2010 Ministerpräsident in Niedersachsen. Die meisten Vorwürfe gegen ihn beziehen sich auf seine Zeit als Regierungschef in Hannover. McAllister war zuletzt auf Distanz zu seinem Amtsvorgänger gegangen.
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Die Kreditaffäre um Wulff ist auch das beherrschende Thema der ersten Sitzumgswoche des Jahres in niedersächsen Landtag. An allen drei Tagen der am Mittwoch beginnenden Sitzungen steht der umstrittene 500 000-Euro-Hauskredit der Unternehmergattin Edith Geerkens und die damit verbundene Aussage Wulffs im Plenum im Fokus der Aufmerksamkeit. Im Vorfeld der Landtagswoche hatten SPD und Grüne bereits 160 Fragen an die Landesregierung von Ministerpräsident McAllister gestellt, um mehr Klarheit zu erreichen. Den Auftakt der Wulff-Debatten machen am Mittwoch zwei parlamentarische Initiativen von SPD und Grünen. Unter dem Titel „McAllister klebt an Wulff – Landesregierung ohne Bereitschaft zur politischen Verantwortung und ohne Mut zur politischen Konsequenz“ wollen die Grünen erörtern, welche Konsequenzen aus der Affäre auch mit Blick auf die amtierende Landesregierung erforderlich sind. Fraktionschef Stefan Wenzel wirft CDU und FDP vor, das Verhalten Wulffs als „Kavaliersdelikt“ abhandeln zu wollen.
Neben Fragen zu dem umstrittenen Hausbaukredit geht es bei der Initiative der SPD insbesondere um die inzwischen eingestellte Veranstaltungsreihe „Nord-Süd-Dialog“, einem prominent besetzten Ländertreffen von Baden-Württemberg und Niedersachsen. Die SPD ist nach eigenen Angaben davon überzeugt, dass die Staatskanzlei unter Wulff im Frühjahr 2010 dem Landtag in einer Debatte zu dem Thema bewusst und vorsätzlich eine falsche Antwort gegeben hat. Auch der Donnerstag beginnt ganz im Zeichen der Causa Wulff. Im Kern wollen SPD und Grüne dann Antworten auf die „Kardinalfrage“, ob der damalige Ministerpräsident Wulff durch die Annahme des Kredites gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat und inwiefern in Niedersachsen eine „ungute Nähe zwischen Wirtschaft und Politik“ existiert.
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Zum Abschluss der Plenarwoche am Freitag steht zudem ein Antrag der Linken zur Einführung eines Wulff-Untersuchungsausschusses auf der Tagesordnung. Um einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, müssen mindestens 31 der 152 Abgeordneten einen entsprechenden Antrag unterstützen. Um das Quorum zu erreichen, müssten neben den zehn Abgeordneten der Linken auch Parlamentarier von SPD und Grünen zustimmen. Dies gilt aber als nahezu ausgeschlossen. Angesichts der täglichen Wulff-Debatten treten der Rücktritt von Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander und die Vereidigung seines Nachfolgers Stefan Birkner (beide FDP) am Mittwochmorgen in den Hintergrund. Sander hatte im Dezember entschieden, zugunsten seines bisherigen Staatssekretärs sein Amt zur Verfügung stellen zu wollen.
Mit Material von rtr/dpa/dapd