Sein erster Auftritt als künftiger FDP-Generalsekretär geht schief. Den Parteivorsitzenden Rösler nennt Patrick Döring “Wegmoderierer“ - und löst Irritation aus.
Hamburg. Der Tag gestern war ein Lehrstück über das politische Geschäft in der Berliner Republik. Vielleicht war der Tag auch eine Lehre für Patrick Döring, der derzeit noch neben der Politik eine Haustierversicherungsagentur in Hannover leitet und bald in Berlin als Generalsekretär der FDP neuen Schwung geben soll. Einer Partei, die um ihr Überleben kämpft. Alles, was Döring sagt, wird nun viel Gewicht haben. Partei und Öffentlichkeit hören prüfend zu, welchen Ton der Nachfolger von Christian Lindner anschlägt, wie er sich positioniert, welchen Kurs er einschlägt. Dörings erste große Fahrt nahm gestern Kurs in Richtung Wand.
Im Gespräch mit dem "Stern" hat Döring Parteichef Philipp Rösler als "Wegmoderierer" bezeichnet - der Vizekanzler sei "kein Kämpfer". Das sind Worte, die aufhorchen lassen, kurz vor Beginn des Dreikönigstreffens der FDP in Stuttgart. Will da einer seinen Chef infrage stellen? Gar an dessen Stuhl sägen, bevor er überhaupt Generalsekretär ist? Und auch für seinen Vorgänger findet Döring klare Worte: "Lindner hat geglaubt, dass die Lage (...) so instabil ist, dass Philipp Rösler zurücktreten muss und dass die Partei ihn, den großen Intellektuellen, dann ruft." Lindner war im Dezember zwei Tage vor dem für die FDP heiklen Mitgliederentscheid zum Euro-Rettungsschirm ESM überraschend von Bord gegangen.
Döring : Rösler "kein Raufbold, sondern Stratege"
Kommentar: Eine Partei schafft sich ab
Es sind deutliche Worte. Und genau da beginnt Dörings Problem. Denn selten verlassen Politiker den Pfad der offiziellen Parteisprache. Kritik verpacken sie in Floskeln oder Andeutungen. Klartext sprechen sie meist nur im Hintergrundgespräch, "unter drei", heißt das im Jargon der Berliner Republik.
Offiziell streichen Politiker heikle Sätze aus ihren Interviews, lassen nur autorisierte Fassungen zu. Döring hat die Sätze im "Stern" nicht autorisieren lassen. Sie sind in einem dreistündigen Gespräch gefallen. Dass die Aussagen über Rösler und Lindner so im Artikel stehen, hat Döring nicht gewollt. Es habe ihn irritiert und enttäuscht, sagt sein Sprecher dem Abendblatt gestern. Das zeigt ein Dilemma: Döring stellt sich selbst als einen "Klartexter" dar. Er nennt sich einen "Holzhammertypen", einen "Freund klarer Worte". Doch als Generalsekretär muss er eine Partei zusammenhalten, Flügelkämpfe besänftigen, Einheit demonstrieren. Klare Worte können da manchmal wie Gift wirken. Zumindest sorgen sie für Unruhe.
So wie gestern. "Meine erste Reaktion über Dörings Äußerungen waren: Haben die in Berlin etwas geraucht?", sagt Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der FDP in Schleswig-Holstein, dem Abendblatt. Kubicki hat Döring gleich morgens aus seinem Urlaub auf Mallorca angerufen und gefragt, was das soll. "Ich habe Patrick Döring gesagt: Er kann so nicht draufhauen in der Öffentlichkeit." Dann hört Kubicki von Döring, dass dessen Äußerungen nicht im richtigen Kontext stünden. Sie seien anders gemeint, wohlwollend, nach vorne blickend. Später stellt Döring dies auch gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" klar, Meldungen laufen über Agentur.
Rösler kein Kämpfertyp, Wulff-Debatte muss beendet werden
Patrick Döring und die Hoffnung auf das Dreikönigstreffen
Über Rösler sagt Döring dann, dieser sei "ein hervorragender Vorsitzender, aber vom Stil her eben kein Raufbold, sondern in erster Linie Stratege, auch Motivator und Moderator". Im "Stern" wiederum hieß es: "Dieses jeder gegen jeden ist mir auch zuwider, und Rösler noch mehr." Die Darstellung, er habe seinem Vorgänger Lindner einen Putschversuch unterstellt, wies Döring zurück. Er habe nur verschiedene Motive für Lindners Rücktritt darlegen wollen, die in der Partei diskutiert würden, aber nie selbst Position bezogen.
Auch wenn Döring es alles nicht so gemeint haben will - es bleibt ein Nachgeschmack. Und die Frage: Wie will Döring in Zukunft damit umgehen, einerseits als Freund des klaren Wortes dazustehen und andererseits als General Ruhe in eine zerrüttete Partei zu bringen? Eine gewagte Gratwanderung. Mit Folgen: Vor dem Dreikönigstreffen in Stuttgart steht wieder das Personal der FDP im Vordergrund. Dabei will der unter Druck stehende Rösler morgen versuchen, in einer einstündigen Rede der Partei einen Weg aus der Krise aufzuzeigen. Die FDP verharrt im Umfragetief: Im Wahltrend von "Stern" und RTL kommt sie nur auf drei Prozent. Mit dem Jahreswechsel werden neue Krisenherde sichtbar. Im Saarland gefährden die Liberalen durch eigene Querelen den Fortbestand der Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen. Auch in Bayern, wo die FDP mit der CSU regiert, ist der Zustand der Freidemokraten desolat: In den Umfragen dümpelt die Partei bei zwei bis drei Prozent.
"Wenn wir in der Führung nicht endlich aufhören mit der Nabelschau, dann werden wir den Rest an Vertrauen verspielen, der uns gegenwärtig noch verblieben ist", sagt Kubicki. Den Menschen könne es egal sein, wie "wir uns in der FDP fühlen. Aber es kann ihnen nicht egal sein, welche Vorschläge wir zur Verbesserung ihrer Lebenssituation unterbreiten". Es sind klare Worte.