Die Partei zwischen Scheitern in der Regierung und Auflösen in der Opposition

Liberalismus hat es in Deutschland schwer. Hierzulande genießen Werte wie Sicherheit und Gerechtigkeit traditionell einen wesentlich höheren Stellenwert als etwa die Freiheit. Die wird zu großen Teilen gern an den Staat abgegeben. Hauptsache, der sorgt dann für seine Bürger. Allerdings haben es sich die in der FDP organisierten Liberalen seit Jahrzehnten auch zu leicht gemacht. Statt für ihre Sicht der Dinge zu werben, haben sie es sich in der Rolle der Funktionspartei gemütlich gemacht, die in wechselnden Konstellationen einem größeren Partner die Parlamentsmehrheit und sich selbst einen Teil der Macht sichert.

Aber mit der Etablierung der Grünen ist diese Rolle in Gefahr. Seit dem Schrumpfen der Volksparteien und deren fortschreitenden Angleichung sowie dem Auftreten neuer Kräfte, wie etwa den Piraten, ist sie endgültig ausgespielt. Nur scheint das in der Parteizentrale noch nicht recht angekommen zu sein. In die derzeitige Koalition etwa ist die FDP mit vollmundigen Ankündigungen hineingestolpert, ohne deren Chancen auf Realisierung mit einer merkelisierten Union ernsthaft zu prüfen. Im Gedächtnis der Wähler blieben auf der freidemokratischen Habenseite die reduzierte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen und das mantraartige Eintreten für mehr private Vorsorge bei Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungen. Die Bürger wollen aber keine - noch dazu weitgehend erfolglose - Drückerkolonne für Partikularinteressen in der Regierung sehen. Entsprechend heftig war der Absturz von den 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 auf mittlerweile stabile drei Prozent in den Umfragen.

Dieses Dilemma hat schon Guido Westerwelle den Parteivorsitz gekostet. Aber die junge Garde, die sich im Frühjahr in die liberalen Chefsessel geputscht hat, ist auch weit davon entfernt, einen Weg aus dem Tal der Tränen finden zu können.

Am ehesten wäre das noch dem gestern zurückgetretenen Generalsekretär Christian Lindner zuzutrauen gewesen. Am wenigsten dem neuen Vorsitzenden Philipp Rösler, der es bisher lediglich zu einigen zaghaften Aufrufen zur Geschlossenheit und keiner zündenden Idee gebracht hat. Der Dritte aus der liberalen Boygroup, Gesundheitsminister Daniel Bahr, fällt durch taktische Zurückhaltung auf. Selbst beim Mitgliederentscheid über den Euro-Kurs der Partei war deren Führung nicht zur Initiative und zum Werben für den eigenen Standpunkt fähig. Sie beschränkte sich darauf, die Initiatoren und den Abstimmungsvorgang zu bremsen und deren Scheitern voreilig zu verkünden.

Wer braucht schon eine erfolglose Partei, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, fragen sich mittlerweile auch die Freidemokraten. Aus der Führungs- ist längst eine existenzbedrohende Krise geworden. Darin steckt die Partei nicht etwa, weil ihr alle anderen politischen Mitbewerber die liberalen Themen abgegraben hätten, sondern weil sie sie selbst sträflich vernachlässigt hat. Auch in Zeiten des internationalen Terrors und der Finanzkrise individuelle Freiheit, Bürgerrechte und Marktwirtschaft zu verteidigen und in der Gesetzgebung umzusetzen wäre wahrhaftig das Bohren dicker Bretter gewesen, wie der Soziologe Max Weber Politik einst charakterisierte.

Postenjagd und flotte Intrigen sind allenfalls ein billiges Surrogat, das auf Dauer nicht zum Überleben reicht - nicht für die FDP und damit auch nicht für die schwarz-gelbe Koalition, die nun noch mehr Mühe hat, die zweite Halbzeit der Legislaturperiode zu überstehen. Lindners Rückzug dürfte erst der Auftakt für turbulente Feiertage in Berlin gewesen sein. Die FDP droht endgültig in der Regierung zu scheitern und würde sich diesmal in der Opposition wohl nicht erholen, sondern ganz auflösen. Eine klassische Zwickmühle.