CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt spricht über die Führung der Kanzlerin und seinen Streit mit dem Gesundheitsminister.
Berlin. Alexander Dobrindt, der CSU-Generalsekretär, verteidigt seine Einschätzung, die FDP sei eine "gesundheitspolitische Gurkentruppe".
Hamburger Abendblatt:
Herr Dobrindt, Angela Merkel hat klargemacht, dass sie die koalitionsinternen Verbalattacken der letzten Tage nicht länger dulden will. Hat die CSU, haben Sie es zu weit getrieben mit Ihren Angriffen auf die FDP?
Alexander Dobrindt:
Auge um Auge, Zahn um Zahn - das ist eine Konfliktbegrenzungsstrategie, die wir alle beherrschen (lacht) . Vielleicht sollte man nicht jeden Tag nach diesem Prinzip verfahren. Aber die FDP muss wissen, dass sie auf scharfe Attacken auch weiter die nötigen Antworten bekommt.
War es wirklich nötig, die Liberalen als Gurkentruppe zu beschimpfen?
Es ist schon ein einmaliger Vorgang, wenn ein Staatssekretär der Bundesregierung uns als Teil dieser Koalition in einer Weise attackiert, wie es der Kollege Daniel Bahr mit seinem "Wildsau"-Vergleich getan hat. Da war eine angemessene Reaktion zwingend notwendig. Im Übrigen zeigt die Beschäftigung der Öffentlichkeit doch auch, dass die Angelegenheit durchaus auch eine humoristische Komponente hatte. Politik muss nicht immer bierernst sein.
Weniger zum Lachen zumute war offensichtlich der Kanzlerin.
Es ist nicht in Ordnung, wenn solche Attacken gegen eine Koalitionspartei aus dem Bundeskabinett heraus erfolgen. Darüber hat Horst Seehofer auch mit der Kanzlerin gesprochen. Aber das Ganze ist jetzt beigelegt, das ist beendet.
Was haben Sie eigentlich gegen die FDP? Immer noch sauer, dass Sie in Bayern die Macht jetzt mit den Liberalen teilen müssen?
Die FDP ist, auch wenn es nicht immer danach aussieht, weiterhin unser Wunschpartner. Es gibt eine sehr konstruktive inhaltliche Zusammenarbeit der Union mit den Liberalen. Das hat sich gerade in der zurückliegenden Woche mit dem gemeinsam erarbeiteten Sparpaket klar gezeigt. Und insbesondere die CSU ist mit der FDP ganz einer Meinung, wenn es darum geht, Steuererhöhungen in diesem Land zu verhindern.
Doch auch über das Sparpaket wird intern schon wieder heftig gestritten. Hat die Kanzlerin diese Regierung noch im Griff?
Angela Merkel macht einen erstklassigen Job. Sie hält die Zügel in dieser Bundesregierung zusammen. Das ist nicht jeden Tag gleich einfach. Aber es bleibt anzuerkennen, dass diese Koalition es unter ihrer Führung in der immer noch schwierigen Situation der Wirtschafts- und Finanzkrise geschafft hat, eine ihrer Hauptaufgaben in dieser Legislatur zu erledigen - also den Haushalt zu konsolidieren und die Schulden zurückzuführen. Angela Merkel nimmt ihre Verantwortung sehr erfolgreich wahr.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum FDP-Generalsekretär Christian Lindner beschreiben?
Mein Verhältnis zu Christian Lindner ist völlig ungetrübt. Wir sind beide - auch wenn das den einen oder anderen vielleicht erstaunt - durchaus in der Lage, zwischen Persönlichem und der manchmal notwendigen politischen Abgrenzung zwischen eigenständigen Parteien zu unterscheiden.
Das Sparpaket der Bundesregierung stößt auf scharfe Kritik, da es einseitig finanziell Schwache belaste. Die CSU trägt es mit. Hat Ihre Partei den viel gerühmten sozialen Kompass verloren?
Nein. Das Sparpaket ist ausgewogen und ausgeglichen. Die Wirtschaft wie die sozialen Bereiche wie auch die Bundesverwaltung werden gleichermaßen herangezogen, um den Haushalt in Ordnung zu bringen. Die Sozialausgaben im Bundesetat liegen bei mehr als 50 Prozent, ihr Anteil am Sparpaket beträgt lediglich ein Drittel, das heißt der Sozialbereich trägt unterproportional zur Konsolidierung bei. Für uns ist besonders wichtig, dass jetzt endlich die Finanzbranche und die Banken zur Bewältigung der Kosten der Finanzkrise herangezogen werden. Noch vor einem halben Jahr stand die CSU allein da mit ihrer Forderung nach einer Finanzmarktsteuer. Heute ist es Position der Bundesregierung: Wenn wir die Steuer international nicht durchsetzen können, dann wird es eine nationale Lösung geben. Das ist ganz klar unsere Handschrift bei diesem Paket.
Was wäre eigentlich so schlimm daran, auch Besserverdienende zur Bekämpfung der Staatsschulden mit heranzuziehen?
Wir haben die klare Vereinbarung im Koalitionsvertrag, dass wir keine Steuererhöhungen machen. Abstrakt ist ja immer die Rede von Spitzenverdienern. Praktisch wäre aber die geforderte Erhöhung des Spitzensteuersatzes, der derzeit bei einem Jahreseinkommen von 52 000 Euro beginnt, eine zusätzliche Belastung der Mittelschicht. Das kann nicht unser Ziel sein.
Selbst der CDU-Wirtschaftsrat ist für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes.
Niemandem wird in diesem Land verboten, freiwillig mehr zu zahlen, als er muss. Da kann der Vorstand des CDU-Wirtschaftsrats gerne mit gutem Beispiel vorangehen.
Die FDP wirft Ihnen vor, Sie hätten Philipp Röslers Reformpläne auf dem Gesundheitssektor zunichte gemacht, ohne Alternativen aufzuzeigen. Reicht es aus, auf Dauer immer nur Nein zu sagen?
Auch in der Gesundheit müssen sich die Ausgaben wieder mehr an den Einnahmen orientieren. Was im Bundeshaushalt richtig ist, nämlich sparen statt Steuern erhöhen, muss für das Gesundheitswesen auch gelten. Philipp Rösler will stattdessen an allen Stellschrauben die Einnahmen weiter erhöhen und die Beiträge erhöhen. Das ist kein zukunftsweisendes Konzept. Röslers Gesundheitsprämie heißt doch übersetzt nur Beitragserhöhung für die Versicherten an allen Ecken und Enden. Ich hoffe sehr, dass er den von den drei Parteivorsitzenden festgelegten Grundsatz ,Ausgabenbegrenzung hat Vorrang vor Beitragserhöhungen' bei der Neuverfassung seines Konzepts berücksichtigt.
Und was passiert, wenn sich Ihre Hoffnung nicht erfüllen sollte?
Andernfalls werden die Verhandlungen genauso ausgehen wie beim letzten Mal. Ich betone aber: Wir sind fair umgegangen mit Philipp Rösler. Wir haben seine Vorschläge eingehend geprüft, sind aber zu dem Ergebnis gekommen, dass sie bei Weitem nicht geeignet sind, um unser Gesundheitssystem zukunftsfest zu machen. In dieser wichtigen Frage darf man nicht um des lieben Friedens willen etwas mittragen, was in die grundfalsche Richtung geht.
Die Liberalen drohen inzwischen damit, Christian Wulff als Bundespräsidenten nicht mitzuwählen. Was sagen Sie dazu?
Wir haben einen gemeinsamen Kandidaten in der Koalition, und der heißt Christian Wulff. Es ist erstaunlich, dass man die FDP bereits nach zehn Tagen daran erinnern muss. Ich warne die FDP davor, in dieser Frage zu wackeln. Ich habe wenig Verständnis für Liberale, die den Wunsch nach wohlfälligem tagespolitischen Verhalten der Union mit der Wahl des Präsidenten verknüpfen wollen. Da darf es keinen Kuhhandel geben, das ist mit uns nicht zu machen.
Nehmen Sie es Joachim Gauck eigentlich übel, dass er sich von SPD und Grünen ins Rennen schicken lässt?
An unserer Wertschätzung für Joachim Gauck hat sich nichts geändert. Aber unsere Wahl ist auf Christian Wulff gefallen. Er trägt seit Jahren in der Politik viel und erfolgreich Verantwortung. Gerade in diesen schwierigen Zeiten muss die Politik beweisen, dass sie in der Lage ist, die Krise zu bewältigen. Christian Wulff ist dafür hervorragend geeignet.
Muss Christian Wulff die Mehrheit im ersten Wahlgang schaffen?
Es besteht kein Zweifel, dass er diese Mehrheit bekommen wird. Alles andere ist unvorstellbar.
Wenn Sie einen Wunsch an die FDP frei hätten, welcher wäre das?
Ich weiß nicht, ob da ein Wunsch ausreicht (lacht) .