Der Anteil an Familien, in denen die Frau Hauptverdienerin ist, steigt genauso wie die Zahl der Väter, die Elternzeit nehmen.
Berlin. Jedes sechste Kind wächst mittlerweile bei einem alleinerziehenden Elternteil auf. Das geht aus dem Familienreport 2010 hervor, den Familienministerin Kristina Schröder am Dienstag in Berlin präsentierte. Demnach ist der Anteil der Alleinerziehenden deutlich gestiegen: Wuchsen 1998 nur in jeder siebten Familie Kinder bei einem alleinerziehenden Elternteil auf, so war dies 2008 schon in jeder fünften Familie der Fall. Dem Report zufolge ist das Armutsrisiko bei diesen Familien besonders hoch.
Zu 90 Prozent handelt es sich bei den Alleinerziehenden um Frauen. Besonders hoch ist der Anteil der Alleinerziehenden in Ostdeutschland: Hier ist fast jede vierte Familie alleinerziehend, in Westdeutschland dagegen weniger als jede sechste.
Der Report erschien erstmals im letzten Jahr. In elf Kapiteln stellt er statistische Daten und Umfrageergebnisse rund um das Familienleben zusammen und wertet sie aus.
Schröder erklärte, Maßnahmen wie höheres Kindergeld, Elterngeld und Kinderzuschlag hätten dazu geführt, dass die Kinderarmut nicht weiter angestiegen sei. Die Armutsrisiken von Kindern lägen seit etwa 2004 auf einem Niveau von knapp 18 Prozent.
Als Erfolgsgeschichte wertete Schröder das vor drei Jahren eingeführte Elterngeld. Jeder fünfte Vater nehme mittlerweile Partnermonate in Anspruch, darunter überproportional viele Väter in Führungspositionen, sagte die CDU-Politikerin. Zudem gäben 60 Prozent der Männer an, Elternzeit nehmen zu wollen, wenn sie Kinder haben. Schröder wertete es als positiv, dass die Geburtenrate in den letzten Jahren bei rund 1,36 Kindern pro Frau „sehr stabil“ geblieben sei.
Angesichts der massiven Sparzwänge muss Schröder ihre ambitionierten Pläne, zwei zusätzliche Vätermonate einzuführen, allerdings ad acta legen. Die Verlängerung sei erst einmal nicht zu realisieren, sagte sie. Auch von einer Einführung eines Teilelterngeldes bis zu 28 Monaten müsse zunächst abgesehen werden.
Schröder wollte zwei zusätzliche Vätermonate einführen. Statt zusammen 14 Monate sollten Eltern dann 16 Monate aus dem Berufsleben aussteigen und dafür den staatlichen Lohnersatz beziehen können.
Schröder betonte, an der derzeitigen Obergrenze des Eltergeldes von 1.800 Euro dürfe nicht gerüttelt werden. Die Grundstruktur müsse bleiben. Alles andere werde auf der Haushaltsklausur der Regierung am 6. und 7. Juni besprochen werden. Zudem betonte sie, sie halte an dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kleinkinder ab 2013 fest.
Immer mehr Frauen Hauptverdienerinnen
Aus dem Report geht weiter hervor, dass immer mehr Frauen Hauptverdienerinnen der Familien sind: In Westdeutschland stieg ihr Anteil von 1991 bis 2006 von sieben auf knapp elf Prozent, in Ostdeutschland von elf auf knapp 15 Prozent.
Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linken, Diana Golze, kritisierte, Schröder feiere es als Erfolg, dass seit zehn Jahren konstant jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebe. „Dies ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung.“ Ähnlich reagierte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ekin Deligöz. Sie bezeichnete die anhaltend hohe Armutsquote bei Kindern als Skandal. Die SPD-Politikerin Christel Humme forderte Schröder dazu auf, dafür zu sorgen, dass die Kommunen bundesweit eine flexible Kinderbetreuung bereitstellen müssten. Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Miriam Gruss, sagte, die zunehmende Zahl Alleinerziehender erfordere noch stärkere Anstrengungen, diese Gruppe gezielt zu fördern.
80 Prozent der Kinder zufrieden
Zudem wurde am Dienstag die zweite World-Vision-Kinderstudie vorgestellt. Ergebnis: Die große Mehrheit der Kinder zwischen sechs und elf Jahren ist mit den Verhältnissen in Familie, Freizeit, Freundeskreis oder Schule zufrieden und fühlt sich wohl. Rund 80 Prozent kommen zu dieser Einschätzung.
Im Auftrag des christlichen Hilfswerks hatten die Wissenschafter Klaus Hurrelmann und Sabine Andresen 2.530 Kinder befragt. Allerdings hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich demnach in den letzten drei Jahren ausgeweitet.
Eine Minderheit von zwanzig Prozent der befragten Kinder sieht sich der Erhebung zufolge massiv benachteiligt. Niedrige soziale Herkunftsschicht, ein alleinerziehendes Elternteil sowie fehlende Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt seien die klassischen Risikofaktoren für ein Aufwachsen in Armut.