Im Griechenland-Streit wirft SPD-Chef Gabriel Kanzlerin Merkel vor, das Volk hinters Licht zu führen. Auch in der Koalition wächst der Unmut.
Im Streit über den richtigen Umgang mit der Griechenland-Krise hat SPD-Chef Sigmar Gabriel Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Lüge bezichtigt. „Merkel hat das Volk hinters Licht geführt, die Deutschen belogen“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Merkel inszeniere sich zwar als die eiserne Kanzlerin, die Griechenland in die Schranken weise, erklärte der SPD-Vorsitzende. In Wahrheit verhandelten sie und Finanzminister Wolfgang Schäuble jedoch bereits über deutsche Hilfsleistungen in Milliardenhöhe, fügte er hinzu.
Den Vorwurf von Unions-Fraktionschef Volker Kauder, die SPD-Bundestagsfraktion selbst wolle in der Woche vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl keine Entscheidung mehr treffen, wies Gabriel zurück. „Das ist ein billiges Ablenkungsmanöver“, sagte er. Die SPD sei jederzeit zu einer Sondersitzung des Bundestags bereit. Die Bundeskanzlerin müsse den Steuerzahlern reinen Wein einschenken und sagen, was auf sie zukomme. „Hier geht es um verdammt viel Geld“, betonte der SPD-Vorsitzende. Dass Merkel versuche, sich vor der NRW-Wahl am 9. Mai wegzuducken, lasse die SPD ihr nicht durchgehen.
Die Bundesregierung will heute das weitere Vorgehen abstimmen. Unter anderem wird Finanzminister Wolfgang Schäuble Gespräche mit IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und dem Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, führen. Auch Merkel wird sich mit ihnen treffen. An dem Treffen werden zudem mit der Vorsitzende der Weltbank, Robert Zoellick und der Generalsekretär der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Juan Somavia, teilnehmen. Thema ist offiziell die Bewältigung der Finanzkrise. Es dürfte aber auch um die Hilfen für Griechenland gehen.
Im Ringen um die geplante Nothilfe für das hoch verschuldete Griechenland werden unterdessen die Rufe nach einer Beteiligung der Finanzbranche immer lauter. "Angela Merkel muss die Vorstände aller Banken, die am griechischen Desaster Geld verdient haben, zum Rapport ins Kanzleramt vorladen", forderte Fraktionschefin Renate Künast im Hamburger Abendblatt. Die Bundeskanzlerin und der Finanzminister seien "gegenüber den Deutschen in der Pflicht, einen Weg zu finden, wie Griechenlands Gläubiger an den Finanzhilfen beteiligt werden können". Es könne nicht sein, "dass die Banken weiter zocken wie vor der Finanzkrise, dass sie auf Fälligkeitsdaten verweisen und sich an Griechenlands Notlage eine goldene Nase verdienen - und das alles auf Kosten der Steuerzahler.
Auch die Fraktionen von Union und FDP dringen nach einem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ darauf, Banken und Spekulanten an der Rettungsaktion zu beteiligen. „Diejenigen, die hohe Zinsen für Griechenland-Anleihen kassiert haben, sollten sich auch an den Kosten einer Rettungsaktion beteiligen“, sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Volker Wissing (FDP), der Zeitung.
Ähnlich äußerte sich der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg. „Wir müssen die Möglichkeit prüfen, die Gläubiger Griechenlands heranzuziehen“, sagte er dem Blatt. Darüber wolle seine Fraktion auch bei dem geplanten Treffen mit den Chefs von IWF und EZB reden.