Nach dem Willen der FDP soll die “Jahrhundertreform“ spätestens am 1. Januar 2012 in Kraft treten und pro Jahr Entlastungen von 16 Milliarden Euro bringen.
Köln. Im Steuerstreit der schwarz-gelben Koalition wird der Ton zwischen Union und FDP immer rauer. Auf ihrem Parteitag in Köln lehnte die FDP am Sonnabend den Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ab, die Vereinfachung des Steuersystems vorzuziehen und über Steuersenkungen erst später zu entscheiden. Massive Kritik gab es an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (ebenfalls CDU).
Zwei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen drückte der neue FDP-Generalsekretär Christian Lindner aufs Tempo. „Der Bürger hat schon viel zu lange auf diese Jahrhundertreform gewartet“, sagte Lindner. Nach dem Willen der FDP soll die Reform spätestens am 1. Januar 2012 in Kraft treten und pro Jahr Entlastungen von 16 Milliarden Euro bringen.
Dagegen hatte Merkel am Vortag erklärt, zunächst stehe das Thema Steuervereinfachung auf der Tagesordnung. Erst im weiteren Verlauf der Legislaturperiode werde man dann über Steuererleichterungen sprechen. Dazu sagte der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms: „So nicht. Das haben wir nicht vereinbart. Dass sie erst mal das machen, was ihnen genehm ist und das andere offen halten.“
Der Groll des Parteitags richtete sich insbesondere gegen Finanzminister Schäuble. Lindner nannte den Finanzminister einen „Finanz-Philosophen“, der besser konkrete Vorschläge machen solle. FDP-Vize Andreas Pinkwart griff Schäuble frontal an: „Wer Griechenland Milliarden an Hilfen in Aussicht stellt und sich dann vor die deutschen Arbeitnehmer und kleinen Betriebe stellt und sagt, für Euch ist kein Geld da, der schlägt den Bürgern ins Gesicht.“
Ihr neues Steuermodell will die FDP an diesem Sonntag offiziell verabschieden. Erst dann wird auch Parteichef Guido Westerwelle das Wort ergreifen. Im Steuer-Leitantrag des Parteitags heißt es wörtlich: „Die Gesetzesänderungen sind spätestens zum 1.1.2012 in Kraft zu setzen, damit die Entlastungen noch in dieser Legislaturperiode voll wirksam werden.“
Bei der Einkommensteuer plant die FDP statt der bisherigen komplizierten Regelung einen Fünf-Stufen-Tarif. Die Entlastungen sollen vor allem Steuerzahlern mit niedrigen und mittleren Einkommen zugute kommen. Ursprünglich hatte die FDP ein Drei-Stufen-Modell geplant. Beim Koalitionspartner CDU/CSU gibt es – ebenso wie bei der Opposition – erhebliche Zweifel an der Finanzierbarkeit.
Die am 9. Mai anstehende Landtagswahl in NRW bezeichnete Pinkwart als „zentrale Richtungswahl“. „Es geht darum, ob wir aus der Mitte oder von Rot-Rot-Grün regiert werden.“ Allen gegenteiligen Beteuerungen von SPD und Grünen dürfe man keinen Glauben schenken.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland droht der schwarz-gelben Koalition nach fünf Jahren die Abwahl. Damit würde die Koalition in Berlin ihre Mehrheit im Bundesrat verlieren. Nach einer neuen Emnid-Umfrage im Auftrag des Magazins „Focus“ kann die FDP in NRW mit 8 Prozent rechnen, die CDU mit 38 Prozent. Die SPD liegt demnach bei 34 Prozent, die Grünen bei 11 Prozent, die Linkspartei bei 6 Prozent. Damit hätten weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün eine Mehrheit.
In einem weiteren Beschluss sprach sich der FDP-Parteitag strikt gegen die Speicherung von persönlichen Daten auf Vorrat aus. Zugleich plädierten die Delegierten für eine verbindliche Quote von Landärzten, um die Gesundheitsversorgung außerhalb der Städte zu sichern. Bei seiner ersten Wahl zum Generalsekretär erhielt Lindner 486 von 508 Stimmen (95,6 Prozent). Bislang hatte der 31-Jährige nur kommissarisch amtiert.