Berlin. Aus der Koalition kommen immer mehr Signale, wonach die ursprünglich für das kommende Jahr geplante Steuerreform frühestens 2012 Realität wird. "Im Jahr 2012 sind die Spielräume für Steuersenkungen in jedem Fall größer als 2011", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) dem "Handelsblatt". "Es ist wichtig, den Menschen nicht irgendwelche Versprechungen zu machen, die wir nicht halten können", sprach sich Fuchs indirekt für eine Verschiebung des Projekts aus. 2012, so die Erwartung des CDU-Manns, sei wieder mit einer besseren staatlichen Einnahmesituation des Staates zu rechnen.
Am Wochenende hatten sich bereits mehrere FDP-Politiker, darunter der stellvertretende Parteivorsitzende Andreas Pinkwart und Haushaltsexperte Otto Fricke, dafür ausgesprochen, die von der Koalition angestrebten Steuersenkungen zumindest teilweise erst 2012 umzusetzen. "Ich sehe dies als einen wesentlichen Schritt, der dazu führen wird, dass wir als Koalition gemeinsam zu einer Lösung finden, die auch den Haushaltsproblemen gerecht wird", sagte auch Michael Meister, der wie Fuchs die Unionsfraktion stellvertretend führt. Leo Dautzenberg, finanzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, äußerte sich ebenfalls erfreut: "Es spricht für eine erfolgreiche Einkommenssteuerreform, dass auch die FDP ihre weiteren Überlegungen von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig macht", sagte Dautzenberg dem Hamburger Abendblatt. "Hierzu bildet die Steuerschätzung im Mai die wesentliche Grundlage. Entscheidungen können danach schnell getroffen werden. Dies betrifft sowohl den Umfang der Entlastungen als auch den konkreten Zeitpunkt."
Unterdessen brachte FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der Chemnitzer "Freien Presse" eine Variante in Spiel, wonach 2011 zunächst das Steuerrecht vereinfacht werden könnte, bevor dann ein Jahr später mögliche Entlastungen greifen. "Die Erwartungen an uns waren groß, die Umsetzung wird etwas länger dauern, als mancher gehofft hatte", räumte Lindner ein.
In seinem Umfeld wurde allerdings darauf hingewiesen, dass die FDP einen Beginn erst 2012 - statt 2011 - bereits seit Längerem genauso für möglich halte wie ein Konzept mit mehr als nur drei Tarifstufen. Deshalb habe man mit Verwunderung registriert, dass neuerliche Hinweise auf diese Position nun öffentlich und vom Koalitionspartner so interpretiert würden, als habe die FDP ihre Haltung verändert. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles beharrte dennoch darauf, dass die FDP gerade dabei sei, sich "von zentralen Wahlversprechen zu entfernen". Allerdings sei auch 2012 nicht mit einer Entspannung der Finanzlage der Kommunen zu rechnen, weshalb die SPD die angestrebten Entlastungen weiter ablehne. Nahles kritisierte zudem den Vorschlag des FDP-Wirtschaftsministers Rainer Brüderle, auf die Gewerbesteuer zu verzichten und den Kommunen dafür einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer einzuräumen. Die SPD wolle an der Gewerbesteuer festhalten, wenn auch in überarbeiteter Form.