Der Außenminister hat einen FDP-Großspender und den Chef einer Firma, an der sein Bruder beteiligt ist, auf eine Auslandsreise mitgenommen.
Die besten Reisen, das steht fest, sind die oft, die man unterlässt." So dichtete einst der Lyriker Eugen Roth. Ob Guido Westerwelle mittlerweile auch so denkt?
Eigentlich sind Reisen für Außenminister gute Gelegenheiten, die Popularitätswerte ein wenig aufzuhübschen. Schließlich gibt es in der Ferne schöne Fototermine. So gesehen, war Westerwelles einwöchiger Südamerikatrip bislang ein Erfolg: Es gibt Bilder zusammen mit Argentiniens attraktiver Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Und gestern hatte auch noch Brasiliens Staatschef Luis Inacío Lula da Silva Zeit für den Deutschen. Mit der Argentinierin tauschte er Küsschen aus, vom mächtigen Brasilianer gab es Schulterklopfer. Heute steht Rio de Janeiro auf dem Reiseplan. Wie schön.
Doch gerade seine Auslandsreisen sind es, die den Außenminister in Bedrängnis bringen. Westerwelle hatte einen Großspender der FDP mit auf seine Asienreise im Januar genommen, der auch noch ein Geschäftspartner seines Lebenspartners Michael Mronz ist. Darüber hinaus nahm der Außenminister den Geschäftsführer einer Firma mit, an der Westerwelles Bruder Kai Westerwelle beteiligt ist.
"Ich habe große Zweifel, ob Westerwelle als Außenminister überhaupt ministrabel ist", zürnt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. "Man gewinnt den Eindruck, dass er diesem Amt nicht gewachsen ist." Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen, schimpft: "Westerwelle schadet der Bundesrepublik, er schadet dem Ansehen des Auswärtigen Amtes. Jetzt sieht es so aus, dass der Außenminister die mitnimmt, mit denen er entweder verwandt ist oder die hohe Parteispenden an die FDP geleistet haben." Und Klaus Ernst von der Linkspartei sagt im Gespräch mit dem Abendblatt: "Westerwelle ist ein korrupter Politiker. In seiner Partei und seinem Ministerium ist offenbar beinahe alles käuflich. Ein käuflicher Vizekanzler schadet unserem Land." Der Außenminister trage die Mitschuld daran, "dass sich immer mehr Bürger angeekelt von der Politik abwenden".
Was ist passiert? Wer als Angehöriger einer Wirtschaftsdelegation den Außenminister auf eigene Kosten ins Ausland begleiten darf, darüber entscheidet das Auswärtige Amt. Zu der zehnköpfigen Wirtschaftsdelegation, die mit Westerwelle im Januar in Japan und China war, gehörte auch Ralf Marohn. Der Ludwigshafener ist Mehrheitseigner und Geschäftsführer der Firma Far Eastern Fernost Beratungs- und Handelsgesellschaft. Pikant: Anteilseigner des Unternehmens ist auch Westerwelles Bruder Kai. Hat Guido Westerwelle die geschäftlichen Interessen seiner eigenen Familie unterstützt?
Doch die Asienreise hatte noch einen anderen interessanten Teilnehmer: Cornelius Boersch. Dessen Firma ist ebenfalls an dem Unternehmen von Marohn beteiligt. Außerdem ist Boersch ein Großspender der FDP: Er hat den Liberalen seit 2002 über 160 000 Euro überwiesen. Auch Westerwelles Bruder Kai taucht im undurchsichtigen Firmengeflecht der Boersch-Gruppe wieder auf: Er ist Aufsichtsratsvorsitzender bei der Taishan Invest AG mit Sitz in Sankt Gallen. Das gleiche Amt in einer zweiten Boersch-Firma gab Kai Westerwelle im vergangenen Jahr ab.
Auch mit dem Lebensgefährten des Außenministers, Michael Mronz, macht Boersch nach Informationen der "Berliner Zeitung" Geschäfte: Ein Unternehmen des umtriebigen Firmengründers beteiligte sich im vergangenen Jahr an der Mainzer Technologiefirma Arygon AG. Zu deren Aktionären und Aufsichtsratsmitgliedern zählte 2009 auch Mronz, berichtet die Zeitung.
Cornelius Boersch ist ein Freund des Außenministers. Zusammen veröffentlichten die beiden im vergangenen Jahr das Buch: "Das Summa Summarum von Politik und Wirtschaft". Bis Oktober 2009 saß Guido Westerwelle selbst im Beirat einer Frankfurter Firma, an der Boersch beteiligt ist. Auf der Homepage erklärt die Firma über ihre Beiräte: "Unsere Beiräte öffnen für Sie Türen und bringen Sie mit relevanten Ansprechpartnern zusammen." Am 16. April soll Westerwelle für Boersch wieder Türen öffnen: Dann soll er eine Rede auf einem von Boersch organisierten Unternehmertag in einem Luxushotel am Tegernsee halten. So steht es zumindest auf dem Programm.
Der Untertitel des gemeinsamen Buchs lautet übrigens: "Ein Überblick über die wichtigsten wirtschafts-politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart."
Die Auseinandersetzung hat Westerwelle nun, aber nicht, weil er als Politiker Differenzen mit der Wirtschaft hat. Sondern zu viel Nähe zu ihren Vertretern.
Gestern, Deutschlands oberster Diplomat machte gerade Station in São Paulo, sah er sich genötigt, auf die Vorwürfe einzugehen. "Da der Opposition die politischen Argumente ausgehen, versuchen sie es jetzt mit persönlichen Attacken gegen mich und meine Familie." Er sieht sich als das Opfer von "verleumderischen Manövern". Sein Sprecher bezeichnete die Berichte über eine "Verquickung von privaten und dienstlichen Anliegen" als "haltlos". Ralf Marohn sei nur auf die Januar-Reise mitgenommen worden, weil er Asienexperte sei. Außerdem habe er auch schon den rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck auf solchen Reisen begleitet. Peinlich für Westerwelle: Beck ließ prompt verkünden, dass Marohn nie Mitglied einer seiner Delegationen gewesen sei.
Zu Boersch äußerte sich das Auswärtige Amt nicht. Kai Westerwelle war für das Abendblatt nicht zu erreichen.
Guido Westerwelle ist ein Mann, der den Streit liebt. So war es in der Opposition. So ist es jetzt als Vizekanzler. Er wolle sich nicht ein paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennenlernen, sagte er einmal. Er will auch in der Innenpolitik mitmischen. Dass es nach seinen Äußerungen über Hartz IV zu einer emotionsgeladenen Debatte kam, hat er genossen.
Er will alles sein: Staatsmann, Parteichef, Oppositionsführer - und ein guter Bruder und Freund. Doch ganz offenbar kann Westerwelle zwischen diesen Rollen nicht unterscheiden.
Da waren die 1,1 Millionen Euro, die der Hotelier August Baron von Finck (Mövenpick) der FDP vor der Bundestagswahl gespendet hatte - nach der Wahl reduzierte die Regierung den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen um mehr als die Hälfte.
Und dann war da Westerwelles Auftritt anlässlich der Eröffnung des Bonner Luxushotels Kameha Grand Bonn. Sein Lebensgefährte Mronz gehörte zu den Mitorganisatoren.
Profitiert Mronz von Westerwelles Amt? Gegen diesen Vorwurf wehrten sich die beiden auch anlässlich der Südamerikareise, an der Mronz ebenfalls teilnimmt. Die Opposition kritisiert, dass Mronz die Reise für private Geschäfte nutzt. In Brasilien finden im Jahr 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft und 2016 die Olympischen Spiele statt - Mronz verdient sein Geld vor allem mit der Vermarktung von Sportveranstaltungen. Er reise auf eigene Kosten und möchte sich für Kinder sozial engagieren, versichert Mronz. Er mag recht haben - ob man ihm angesichts der jüngsten Entwicklungen glaubt, ist fraglich.
Westerwelle werde doch nur so scharf kritisiert, weil er homosexuell ist - so lautet die Abwehrstrategie der FDP. Von "niedersten Vorurteilen gegen Schwule" spricht die liberale Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin. Doch was wäre gewesen, wenn ein heterosexueller Außenminister seine Frau mit auf Auslandsreisen genommen hätte, die ihr Geld als Managerin verdient? Die Frage nach der Vermischung von politischen und privaten Interessen wäre ebenfalls aufgekommen. Westerwelle erklärt, dass er sich weiter von Mronz begleiten lassen will.
Am Sonntag kehrt der Außenminister von seiner Reise zurück, dann wird er sich erklären müssen. In seiner Partei wird er keine Probleme bekommen, auch wenn viele Liberale das wenig diplomatische Vorgehen ihres Vorsitzenden und vor allem die beleidigte Reaktion auf die neuesten Vorwürfe bemängeln. Alles ist auf ihn zugeschnitten in der FDP. Und auch in der Regierung führt kein Weg an Westerwelle vorbei: Das starke Abschneiden der Liberalen bei den Bundestagswahlen war in erster Linie sein Verdienst.
Im Auswärtigen Amt hingegen ist man über den Chef wenig amüsiert. Da hatte man die Südamerikareise mit viel Arbeit vorbereitet - und jetzt redet die Republik über Vetternwirtschaft. Mitarbeiter beklagen, dass wichtige außenpolitische Fragen im Haus derzeit kaum eine Rolle spielen, weil Westerwelle mit anderen Dingen beschäftigt sei. Er hat einfach zu viele Rollen.
Das Lebensmotto von Westerwelles Unternehmer-Freund "Conny" Boersch lautet übrigens: "Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat." Es scheint, dass der Außenminister derzeit zu viele von diesen Beziehungen hat.