Michael Hüther sieht Spielraum für Steuersenkungen in Deutschland, wenn der Staat Subventionen kürzt und Gehälter einfriert.

Berlin. Das Krisentreffen von Angela Merkel (CDU), Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) hat eines erreicht: Erstmals seit Wochen sprachen die schwarz-gelben Koalitionäre gestern in Sachen Steuerpolitik mit einer Stimme. Nun ist es ausgemacht, dass zunächst die Steuerschätzung im Mai abgewartet wird, bevor über Umfang und Zeitpunkt der geplanten weiteren Entlastung entschieden wird. Bisher hatten liberale Spitzenpolitiker wie Fraktionschefin Birgit Homburger darauf beharrt, dass die weiteren Entlastungen bereits zum 1. Januar 2011 wirksam werden sollen, und mehrfach wiederholt, dass es nicht nötig sei, die Steuerschätzung abzuwarten.

Verständigt haben sich Merkel, Seehofer und Westerwelle außerdem darauf, die Schuldenbremse wie im Grundgesetz verankert umzusetzen und die Haushalte zu konsolidieren. Merkel erinnerte daran, dass von den 24 Milliarden Euro Steuerentlastung, die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt worden sind, 4,6 Milliarden bereits zum 1. Januar realisiert worden seien. Damit bleibe ein Volumen von 19,4 Milliarden, das es noch umzusetzen gelte.

Dass eine Entlastung dieser Größenordnung auch in Zeiten der Wirtschaftskrise möglich sei, bestätigte gestern Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. "Wenn der Staat in den kommenden zehn Jahren Ernst macht mit der Durchforstung der öffentlichen Ausgaben, bleibt sogar Spielraum für Reparaturen am Steuersystem", sagte Hüther in Berlin. Seine Botschaft: Die von der Koalition geplante Steuerentlastung ist nach Berechnungen seines Instituts finanzierbar, wenn sie mit harten Einschnitten verknüpft wird.

Dazu schlug der Leiter der als arbeitgebernah geltenden Einrichtung Kürzungen bei Subventionen sowie bei den Gehältern im öffentlichen Dienst und bei den Beamten vor. Eine lineare Kürzung der Subventionen um zehn Prozent jährlich über drei Jahre hinweg würde Einsparungen von insgesamt 14 bis 15 Milliarden Euro bringen.

"Mit jedem Prozentpunkt, um den der öffentliche Dienst bei den Tarifverhandlungen niedriger abschließt, spart der Staat knapp zwei Milliarden Euro jährlich", sagte er. Angesichts der Arbeitsplatzsicherheit, die der öffentliche Sektor biete, wären Sparrunden im öffentlichen Dienst und bei den Beamten sehr wohl vertretbar. Mit dem so eingesammelten Geld sollte zunächst die "kalte Progression" bei der Einkommenssteuer beseitigt werden, die derzeit dazu führt, dass Steuerzahler trotz Lohnerhöhungen ein niedrigeres Einkommen haben. "Fiele diese heimliche Steuererhöhung ab 2011 weg, würde der Staat die Kaufkraft der Bürger schon im ersten Jahr um 1,7 Milliarden Euro steigern", sagte Hüther.

Ebenfalls wünschenswert sei die "stufenweise Abschaffung des Mittelstandsbauchs im Einkommenssteuertarif". Weiteren Nachbesserungsbedarf sieht der Forscher bei der Erbschaftssteuer: "Ein steuerfreier Unternehmensübergang ist derzeit nur dann möglich, wenn die Lohnsumme sechs Jahre gleich bleibt. In der Krise ist das kaum durchzuhalten." Hüther räumte ein, dass Steuersenkungen zwar einen Wachstumseffekt hätten, sich aber dadurch "nicht komplett refinanzieren" würden. "Das wäre naiv". Daher müsse es parallel auch strukturelle Kürzungen im Haushalt geben. So könnten Mittel für die Arbeitsmarktförderung eingespart werden, da die Wirkung der Programme mitunter zweifelhaft sei.

Eine Kürzung um zehn Prozent wie bei den Subventionen würde Einsparungen von einer Milliarde bringen, ohne die Kurzarbeit anzutasten. Außerdem schweben Hüther die Einführung einer Pkw-Maut und flächendeckende Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester vor. Es sei "effizient und gerecht", so Hüthers Position, die Verkehrsinfrastruktur über nutzungsabhängige Gebühren zu finanzieren. Ähnliches gilt seiner Auffassung nach für die Verbesserung der Lehrqualität an den Hochschulen durch Studienbeiträge.