Politik funktioniert oft nur im Tandem: Das Abendblatt porträtiert Akteure zwischen Zoff und Zuneigung und Duz-Freunde, die trotzdem Feinde sind.
Hamburg/Berlin. Die Politik ist ein Geschäft, das von Abhängigkeiten lebt und in dem Politiker manchmal nur über Seilschaften ihre Ziele erreichen. Und Politik ist ein Geschäft, das oft nur im Tandem funktioniert. Politische Paarungen bilden sich aus Eigennutz, aus Parteiräson, manchmal auch aus ehrlicher Zuneigung. Manch ein Paar hasst sich und ist doch aufeinander angewiesen. Andere Paare haben es nur kurz miteinander zu tun, dann aber umso heftiger. Und es soll Parteifreunde geben, die auch im wirklichen Leben Freunde sind.
2009 haben wir wieder viel über Paare in der Politik gelernt: Dass ein "Du" zwischen den Parteichefs von FDP und CSU, Guido Westerwelle und Horst Seehofer, noch lange kein Friedensangebot ist. Dass ein bundespolische bislang harmloser CDU-Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen der Bundeskanzlerin richtig gefährlich werden kann. Dass Sigmar Gabriel und Andrea Nahles richtig gut miteinander können, weil sie es zum Wohle der SPD einfach müssen. Dass ein Generalinspekteur der Bundeswehr und sein Verteidigungsminister gar nicht miteinander können, obwohl sie recht ähnliche Charaktere sind. Und dass es auch außerhalb von Parteizeitungen noch Chefredakteure gibt, die von Politikern abgesetzt werden können. Die Abendblatt-Redaktion stellt die fünf spannendsten Paare vor.
Seehofer und Westerwelle: in Feindschaft verbunden
Zum Horst sagt die Angela "Du". Auch mit dem Guido duzt sich die Bundeskanzlerin. Nur der Horst und der Guido, die beiden wollten sich nie duzen. Bis zur Nacht vom 23. auf den 24. Oktober, in der die Koalitionsverhandlungen zu Ende gingen. Was da geschah, beschrieb FDP-Chef Westerwelle am nächsten Morgen in der Bundespressekonferenz folgendermaßen: "Um 2.12 Uhr waren wir mit der Arbeit fertig, seit 2.15 Uhr sagen wir Horst und Guido." Ein Schritt, den man bedeutsam nennen kann. Hatten sich doch der CSU-Vorsitzende und Westerwelle zuvor gegenseitig - oder über ihre Stellvertreter und Generalsekretäre - im Wahlkampf eine Dauerfehde geliefert. Damit angefangen hatte Seehofer, als er Westerwelle "ein Sensibelchen" nannte, worauf Westerwelle sich laut über "seltsame Attacken" aus Bayern wunderte, worauf CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der FDP "geistige Windstille" bescheinigte, worauf wiederum FDP-Vize Rainer Brüderle der CSU "parasitäre Publizität" vorwarf. Den Schlusspunkt wollte wieder Seehofer setzen, als er über "neoliberale Schreckgespenster" lästerte.
Sich zu duzen heißt aber nicht, Frieden zu schließen. Längst gehen CSU und FDP wieder aufeinander los: in der Steuer- und der Finanzmarktpolitik, auch in der Familienpolitik, sogar wegen der Vertriebenen-Präsidentin Steinbach. Bald ist schon wieder Wahlkampf: in Nordrhein-Westfalen, in Guidos Heimat. Den wird sich der Horst nicht entgehen lassen
Guttenberg und Schneiderhan: Die Tragik der verpassten Gemeinsamkeiten
Wenn Wolfgang Schneiderhan nicht General geworden wäre, dann wäre er vielleicht heute Lehrer für Deutsch und Geschichte in Bad Saulgau an der Schwäbischen Bäderstraße, wo er geboren wurde. Das hat er selber einmal gesagt. Und wäre Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg nicht Bundesverteidigungsminister geworden, dann wäre er heute vielleicht Bundeswirtschaftsminister.
Es ist höchst bedauerlich, dass die stärkste Verbindung zwischen diesen beiden Männern die Tragödie von Kundus darstellt, jenes verheerende Bombardement mit der nachfolgenden verheerenden Informationspolitik von Bundeswehrführung und Ministerium.
Unter anderen Umständen hätten Deutschlands am längsten dienender Generalinspekteur - aus einfachsten Verhältnissen stammend - und der jüngste Verteidigungsminister - aus altem, sehr betuchten Adelsgeschlecht - vielleicht manche verbindende Gemeinsamkeit entdeckt. Nicht nur im Bereich der Musik - wo der Onkel des einen der Wiener Violinvirtuose Wolfgang Schneiderhan war und der Vater des anderen der Dirigent Enoch zu Guttenberg ist.
Es sind vor allem Charaktereigenschaften, die beide unter anderen Umständen zu einem guten Gespann im Ministerium gemacht hätten: Pflichtgefühl, Disziplin und Nahbarkeit. Wurde Guttenberg als "Baron der Herzen" etikettiert, so hätte man dem General durchaus einen vergleichbaren Titel zuerkennen können.
Doch seitdem der Minister den bei Kameraden hoch angesehenen Viersterner ansatzlos feuerte, trennt beide Männer nicht nur ihre denkbar unterschiedliche soziale Abstammung.
Gabriel und Nahles: Ein Nicht-Verhältnis
Dieses Duo will es besser machen als seine Vorgänger. Es will die Basis mehr beteiligen und nicht so autoritär sein. Kaum jemand - nicht einmal in der SPD - hätte im September noch geglaubt, dass dieses Duo eines Tages aus Sigmar Gabriel und Andrea Nahles bestehen würde. Die Parteilinke und der Schröder-Zögling pflegten über Jahre ein "Nicht-Verhältnis", wie Nahles einmal zugab. Und Gabriel hatte nach der verlorenen Bundestagswahl nicht einmal ihre aktuelle Handynummer. Spötter fühlten sich beim neuen SPD-Chef und seiner Generalsekretärin umgehend an die einstige Grünen-Führung, an Claudia Roth und Reinhard Bütikofer, erinnert - "nur nicht so lustig", so der Tenor. Andere sprachen einfach nur vom "Albtraumpaar".
Warum wollen gerade diese beiden miteinander die Partei aus der Krise führen? Es gab nicht viele Sozialdemokraten, die nach dem bitteren 23-Prozent-Ergebnis in die Verantwortung wollten. Gabriel und Nahles wollten unbedingt. Von einem "Hauruckverfahren, das einer Ämterpiraterie gleichkommt", sprach das damalige Vorstandsmitglied Hermann Scheer. Inzwischen reiben sich etliche in der SPD verwundert die Augen über die Harmonie und die Geduld, mit der das Duo auf die Basis zugeht. Auch scheint es eine klare Aufgabenteilung zu geben: Nahles agiert als Strippenzieherin nach innen, Gabriel als kühner Redner ist eher der Mann fürs Volkfest.
Carstensen und Merkel: die Abhängigen
Grundsätzlich gilt es ja als gut, das Verhältnis, das Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zur Chefin pflegt. Aber in diesem Jahr musste es Belastungsproben ertragen. Da war zunächst Carstensens Aufkündigung seines Kieler Regierungsbündnisses mit der SPD. Die Neuwahl, die wie die Bundestagswahl für den 27. September angesetzt wurde, passte Angela Merkel (CDU) gar nicht in den Kram. Teilnahmslos sah sie zu, wie Carstensen sich mühte, im Windschatten ihrer Wohlfühl-Kampagne ebenfalls Schwarz-Gelb herbeizuführen.
Erst in der Wahlnacht lernte Merkel Carstensens Coup zu schätzen. Schließlich war er es, der ihrem Bündnis mit der FDP nun auch im Bundesrat eine Mehrheit bescherte. Doch die Freude währte nur kurz. Denn Carstensen entpuppte sich als harter und uneinsichtiger Streiter für die Belange seines armen Landes. Ja, er avancierte gar zur Schlüsselfigur im Kampf gegen die in Berlin geplanten Steuersenkungen ("Ihr habt sie doch nicht alle!"). Carstensen drohte bis zum Tag der Abstimmung sein Nein an. Erst nach einer nächtlichen Krisensitzung mit Merkel - milliardenschwere Zuschüsse im Gepäck - war Carstensen wieder der liebe Peter Harry. Am Ende stand die Erkenntnis, dass beide nicht ohne einander Erfolg haben können. Eine Schicksalsgemeinschaft, die wohl noch manche Krisensitzung erfordert.
Koch und Brender: Duell der Dickköpfe
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch und der scheidende ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender waren die Gegenspieler des Fernsehjahres 2009. Dabei sind sie sich durchaus ähnlich: Beide sind Katholiken, beide haben Jura studiert und beide waren Funktionäre der Jungen Union - der eine (Brender) als Vorstandsmitglied in Südbaden, der andere (Koch) gar als stellvertretender Bundesvorsitzender.
Und: Brender und Koch sind Dickköpfe. Kompromisse sind ihre Sache nicht. Der Chefredakteur fühlt sich nur den Zuschauern verpflichtet. Von Politikern, egal welcher Couleur, lässt er sich nicht instrumentalisieren. Mitunter maßregelt er sie gar vor laufender Kamera: So war es in der "Berliner Runde" 2005, als er den aufgekratzten Wahlverlierer Schröder zur Ordnung rief. Und so war es auch bei der "Berliner Runde" 2009, als Brender Kanzlerin Merkel tadelte, weil sie nicht bereit war, vor der Wahl im ZDF mit den anderen Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien zu diskutieren.
Nun haben im ZDF-Verwaltungsrat, dessen Vize-Chef Koch ist, Politiker das Sagen. Als Brenders Vertrag zur Verlängerung anstand, organisierte der Hesse eine Mehrheit gegen den Chefredakteur und ließ sich auch von 35 Staatsrechtlern nicht umstimmen, die sein Vorgehen verfassungsrechtlich bedenklich fanden. Ein echter Dickkopf eben, der sich - Rundfunkfreiheit hin oder her - da durchsetzte.