Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Mir sind neun Berichte vorenthalten worden. Die Kanzlerin hat erst abgewiegelt.
Berlin. Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) wird noch an diesem Freitag von seinem Amt zurücktreten. Das bestätigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Auf die Frage in der Bundespressekonferenz, ob er es nicht gewusst oder als Stillosigkeit empfunden hätte, selbst die bevorstehende Pressekonferenz von Jung „zu seinem Abschied“ mitzuteilen, sagte Wilhelm: „Letzteres“.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zwar Rücktrittsforderungen an den Arbeitsminister zurückweisen lassen. Merkel habe „das Vertrauen in Jung, dass er im Geiste der Verantwortung und dem Gebot der Transparenz handelt“, sagte Regierungssprecher Wilhelm. Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums kündigte an, dass sich Jung im Lauf des Tages noch einmal zu dem Vorgang äußern werde.
Dem neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sind insgesamt neun Berichte und Einschätzungen zum Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan vorenthalten worden. Das erklärte er nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestages zu den Informationspannen. Er versicherte, er werde nach Durchsicht der Berichte zu einer Neubewertung seiner Einschätzung des Bombardements vom 4. September kommen, bat sich aber Zeit aus.
Unmittelbar nach Amtsantritt und nachdem er von dem Isaf-Bericht über den Luftschlag erfahren habe, bei dem laut Nato bis zu 142 Menschen getötet wurden, hatte Guttenberg ihn als „militärisch angemessen“ bezeichnet.
Er versicherte erneut, größtmögliche Transparenz bei der Aufklärung des Falles herstellen zu wollen. Nötigenfalls werde er die Geheimhaltung herabstufen, damit das Parlament die Berichte zur Kenntnis nehmen und den Vorgang bewerten könne.
Die Entlassung des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und von Staatssekretär Peter Wichert begründete Guttenberg ausschließlich mit ihrem Verhalten ihm gegenüber. Wegen der mangelnden Information sei die Vertrauensbasis nicht mehr gegeben. Zur Amtszeit seines Vorgängers Franz Josef Jung wollte er nicht Stellung nehmen, dankte aber den Entlassenen nochmals für ihre langjährige Arbeit im Dienst des Ministeriums und der Bundeswehr. Sie würden am 3. Dezember mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet.
Guttenberg beauftragte nach eigenen Angaben Staatssekretär Rüdiger Wolf mit einer internen Untersuchung der Vorgänge. „Ich will die Zeit umfassend bewertet sehen bezüglich der Kommunikations- und Informationsstränge“, sagte er. Es gebe dort wohl grundsätzlichen Verbesserungsbedarf. Dennoch betonte er, er habe hohes Vertrauen in die militärische Spitze der Bundeswehr. Er baue auf wechselseitiges Vertrauen und Loyalität.
Der ehemalige Bundeskanzler und Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD) hat die Entlassung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert als verfrüht bezeichnet. „Das war ein bisschen sehr schnell. Das wird sich noch herausstellen“, sagte der frühere Verteidigungsminister bei einem Wirtschaftsforum der „Zeit“. Verteidigungsminister Guttenberg hatte beide wegen der Affäre um die Informationspolitik über den von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff in Afghanistan von ihren Ämtern entbunden. Mit Blick auf den heutigen Arbeitsminister Jung sagte Schmidt: „Wir erleben gerade einen Fall, wo (...) ein Minister sein Ministerium nicht im Griff gehabt hat.“ (AP/dpa/HA)