Präsidium und Vorstand stimmen der neuen SPD-Spitze zu. Sigmar Gabriel ist bereit für eine Koalition mit der Linkspartei im Bund.
Hamburg/Berlin. Das letzte Wort hat der Parteitag Mitte November in Dresden. Aber der Beschluss von Präsidium und Parteivorstand brachte Sigmar Gabriel seinem Ziel, Franz Müntefering als SPD-Chef abzulösen, einen entscheidenden Schritt näher. Ohne Gegenstimme schlug zuerst das SPD-Präsidium den bisherigen Umweltminister als neuen Parteichef vor. Angeblich enthielt sich nur die frühere hessische SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti.
Dann erhielt Gabriel in der anschließenden Vorstandssitzung 28 Ja-Stimmen. Vier Vorstandsmitglieder stimmten mit Nein, vier enthielten sich. Das entsprach einer Zustimmung von 77,8 Prozent. Bei der Nominierung der anderen Kandidaten gab es einen deutlichen Denkzettel für die Parteilinke. Berlins Regierungschef Klaus Wowereit, der als neuer Vize in die Spitze aufrücken soll, kam nur auf eine Zustimmung von 61,1 Prozent. Die als neue Generalsekretärin vorgesehene Parteilinke Andrea Nahles erhielt 66,6 Prozent. Die drei anderen Kandidaten für den Vize-Vorsitz, die NRW-Landesvorsitzende Hannelore Kraft, Arbeitsminister Olaf Scholz und die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, verzeichneten dagegen jeweils eine Zustimmung von 86,1 Prozent.
Während das Präsidium das neue Spitzenpersonal durchwinkte, machte sich im Vorstand Unmut über die Vorgehensweise breit. Vorstandsmitglied Hermann Scheer griff die alte und neue Parteispitze an. "Das, was da passiert ist, widerspricht der demokratischen Verfassung einer Partei", sagte er. "Es handelt sich um die Selbstnominierung eines Personenkreises", die ohne jede demokratische Legitimierung auf dem Weg über die Medien erfolgt sei. An den Absprachen waren neben den geplanten Mitgliedern der neuen Parteispitze vor allem Müntefering sowie der Ex-Kanzlerkandidat und neue Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier beteiligt. Allein Klaus Wowereit wehrte sich sofort gegen die Angriffe: Es gebe keine "Entscheidungen im Hinterzimmer", sondern die Personalvorschläge würden offiziell dem Präsidium und dem Vorstand vorgelegt, die "selbstverständlich das Recht haben, anders zu entscheiden".
Der Berliner Regierungschef lobte "die breite Aufstellung" der künftigen Parteispitze, für die "hervorragende Kandidaten" zur Verfügung stünden. Er rief die Partei dazu auf, "in dieser schwierigen Phase nicht die üblichen Flügelschlagereien zu machen, sondern alle Kräfte zu bündeln". Während sich bei den Personalfragen vorübergehend Ruhe abzeichnet, hielt die innerparteiliche Debatte in der SPD über eine Abkehr von der Rente mit 67 weiter an. Am Wochenende hatte Wowereit die Abkehr von dem Rentenbeschluss angestoßen, dann legte Juso-Chefin Franziska Drohsel in der "Frankfurter Rundschau" nach: "Seine Forderungen gehen in die richtige Richtung - bei der Rente mit 67 als auch bei Hartz IV."
Gabriel schloss als künftiger SPD-Chef eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene nicht mehr aus. "Ich habe nichts dagegen, mit der Linkspartei zu koalieren, wenn das so gut funktioniert wie in Berlin, ich hab auch nichts dagegen, dass man 2013 über Koalitionen mit denen im Bund nachdenkt", sagte er gestern Abend in der ARD. Kurz bevor die SPD-Führung zusammentrat, sendeten auch die Grünen ein Signal: "Wir richten unsere Oppositionsstrategie nicht nach dem aus, was die SPD macht", sagte Parteichef Cem Özdemir. "Wir sind nicht Teil einer Rot-Rot-Grün-Strategie, einer Schwarz-Gelb-Strategie, einer Jamaika-Strategie, einer Ampel-Strategie." Einem Wettbewerb, wer die Linkesten seien, würden sich die Grünen verweigern.