Nach den umstrittenen Äußerungen Thilo Sarrazins hat Bundesbankpräsident Weber die Kommunikation mit ihm eingestellt. Feuern kann er Sarrazin nicht.
Frankfurt/Main. Bundesbankpräsident Axel Weber hat offenbar vergeblich versucht, Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin von der Veröffentlichung seiner umstrittenen Interviewäußerungen abzubringen. Wie das „Handelsblatt“ am Dienstag berichtete, war Weber vor Erscheinen des Interviews von seiner Presseabteilung auf die Passagen aufmerksam gemacht worden, die später vielfach als ausländerfeindlich kritisiert wurden. Dem Bundesbankpräsidenten sei es aber nicht gelungen, Sarrazin von seinem Vorhaben abzubringen. Mittlerweile herrscht dem Zeitungsbericht zufolge Funkstille zwischen Weber und ihm.
Unter Berufung auf Bundesbank-Kreise schrieb das Blatt, der Präsident habe erst durch die Presseabteilung von dem Interview erfahren. Weber habe den ihm zur Kenntnis gebrachten Text als inakzeptabel eingestuft und seinen Kommunikationschef eingeschaltet, um Sarrazin von der Veröffentlichung abzuhalten. Der habe dies jedoch ignoriert, das Interview eigenhändig freigegeben und damit den Eklat ausgelöst.
Sarrazin steht seit dem Interview in der Zeitschrift „Lettre International“ in der Kritik. Für Empörung sorgten vor allem zwei Sätze: „Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate.“ Und: „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“
Weber kann Sarrazin nicht entlassen
Weber hat Sarrazin deshalb indirekt den Rückzug aus der Spitze des Instituts nahegelegt. Laut „Handelsblatt“ ist die Kommunikation zwischen Weber und Sarrazin inzwischen nahezu eingestellt. Der Bundesbankpräsident kann Sarrazin jedoch nicht einfach selbst entlassen. Die Vorstandsmitglieder werden vom Bundespräsidenten ernannt, der sie folglich auch entlassen müsste. Vor Ablauf ihrer Amtszeit können sie nach geltendem Recht nur abberufen werden, wenn sie die Voraussetzungen zur Ausübung ihrer Tätigkeit nicht mehr erfüllen.
Das wäre nach Angaben der Pressestelle etwa bei schwerer Krankheit der Fall oder bei einer schweren Verfehlung. Was als letztere gilt, ist indes nicht klar definiert, also Interpretationssache. Eine solche Abberufung müsste dann der Bundesbankvorstand bei Bundespräsident Horst Köhler beantragen. Sarrazin gehört dem Vorstand erst seit dem 1. Mai dieses Jahres an, seine Amtszeit läuft bis 2014. Zuständig ist er im Bundesbankvorstand für zuständig für die Bereiche Bargeld, Informationstechnologie und Risiko-Controlling.
Ehrenkodex nach Fall Welteke verabschiedet
Weber hat seine Interviewäußerungen als Verstoß gegen des Verhaltenskodex der Bundesbank bezeichnet. Diesen Ehrenkodex hat sich die staatliche Bank im Juli 2004 nach dem Streit über die kostenlose Übernachtung ihres Expräsidenten Ernst Welteke bei einer Silvesterfeier in Berlin gegeben. Darin heißt es im ersten Kapitel „Grundlegende Prinzipien“ unter Punkt Vier: Die Vorstandsmitglieder „verhalten sich jederzeit in einer Weise, die das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundesbank aufrecht erhält und fördert“.
Der Fall Sarrazin könnte auch ein Thema für den neuen Beauftragten der Deutschen Bundesbank für Corporate Governance, Uwe Schneider, sein. Der Direktor des Instituts für Internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens der Mainzer Universität hat dieses Amt erst am vergangenen Donnerstag übernommen. Er berät den Bundesbankvorstand bei der Auslegung und Anwendung der für die Vorstandsmitglieder geltenden Verhaltensregeln, die sich aus dem Bundesbankgesetz, den Anstellungsverträgen und dem Verhaltenskodex ergeben.