SPD-Chef Franz Müntefering verblüfft mit neuer Offenheit. Er spricht sogar über den Tod seiner Frau. Eindrücke von Franz Müntefering.
Berlin. Er ist dünner geworden in diesem Jahr. Die Anzüge sitzen ein bisschen luftig. Aber insgesamt ist da ein Eindruck von Drahtigkeit, der sich nur mit Sport erklären lässt. Und tatsächlich: Münte rennt. Auf dem Laufband. 3000 Meter in 18 Minuten und 38 Sekunden. Das ist seine Bestmarke. Bisher jedenfalls. Und einen Hometrainer soll es auch geben in Müntes Muckibude.
Ein Psychologe hätte es leicht. Der Mann will es noch mal wissen, würde er sagen. Und tatsächlich hat Franz Müntefering das größte politische Comeback des Jahres hingelegt. Auch wenn es wirklich überraschend letztlich nur für jene kam, die den Mann aus Sundern vorher nicht besonders gut gekannt haben.
Als Franz Müntefering im November 2007 als Bundesarbeitsminister zurücktrat und sich aus Berlin verabschiedete, ließ er die politische Szene wissen, es gebe Wichtigeres im Leben. Als er zurückkehrte, brachte er ein Buch mit, dessen Titel wie eine Kampfansage klang: "Macht Politik!" Ein paar Tage später war er wieder Parteivorsitzender.
Über die Monate dazwischen hat Franz Müntefering erst dem "Stern" und gestern auch in der Talkshow "Beckmann" ausführlich Auskunft gegeben. Über das Sterben seiner zweiten Frau, mit der ihn, wie er sauerländisch knapp zu sagen pflegt, "eine große Sache" verband, über das Wissen um das nahe Ende, über die heiteren Augenblicke, die es in diesem letzten gemeinsamen Sommer auch noch gab: "Noch mal eine Zigarette rauchen, ein Glas Wein trinken, über das Leben sprechen." Fotos hätten sie angeschaut, Familiengeschichten erzählt. "Es war gut für sie und für mich", sagt Müntefering im "Stern", "dass wir es so gestalten konnten, wie wir wollten: zu Hause, nah beieinander, gemeinsam mit den Kindern." Dass ausgerechnet Franz Müntefering so freimütig über seinen Verlust sprechen würde - dieser kantige, bei aller Redelust und allem Witz stets so verschlossene Mann -, macht aus dem Comeback fast schon ein Coming-out.
Wer dem 68-Jährigen in diesen Tagen begegnet, erlebt einen schwungvollen Mann. Kein Vergleich mit dem alten Müntefering, der so glanzlos grau gewirkt hatte, seit ihn die Parteilinke am Ende der Schröder-Ära so schmählich vorgeführt hatte.
Damals, als die Genossen nicht Münteferings Vertrauten Kajo Wasserhövel auf den Posten des SPD-Generalsekretärs wählten, sondern Andrea Nahles. Wohl wissend, dass Müntefering ihnen dafür den Parteivorsitz vor die Füße werfen würde. Sobald die Sonne wieder scheine, werde er "aus der Deckung" kommen, hat Müntefering einem Schulfreund nach der Beerdigung seiner Frau anvertraut. Und da erinnerte man sich wieder an das, was er der SPD am 13.11.2007 geschrieben hatte: Dass dies "kein Abschied und kein Ausstieg" sei.
Nur geglaubt hat es offenbar keiner. Das heißt, Kurt Beck mag es geschwant haben. Dem glücklosen Parteivorsitzenden, der im Frühjahr 2008 ab und zu Post von Müntefering bekam, die ihn noch mehr ins Schwimmen brachte. Becks Leute, hieß es, nachdem Ankepetra Müntefering am 31. Juli gestorben war, würden die Nachricht verbreiten, Franz Müntefering gehe es schlecht. Sehr schlecht! Sollte es so gewesen sein, hätte es nichts genützt. Beck ist weg, und Müntefering ist wieder da. Weil die Partei keinen Besseren hat als ihn. Jedenfalls nicht für den Parteivorsitz. Tatsächlich ist Franz Müntefering in diesen stürmischen Zeiten so etwas wie der Fels in der Brandung für die SPD.
Ein Superwahljahr steht bevor, in Hessen geht es am 18.1. los. Da bleibt nicht mehr viel Zeit zu retten, was nach den Ypsilanti-Capricen gerettet werden muss.
Franz Müntefering, hat uns sein Sprecher erzählt, werde die Weihnachtstage mit seinen Kindern und den beiden Enkeln in Bonn verbringen. Danach sei er schon wieder in Berlin.