CSU-Chef Horst Seehofer wurde vom Hallodri zum Retter in der Not. Jetzt spielt er seine Macht aus.
Berlin. Nicht alle haben sich gefreut, als der vermeintliche Heilsbringer nach München zurückkehrte. Man könnte auch sagen: Die wenigsten haben nicht nur so tun müssen, als ob sie sich gefreut hätten!
Egal. Horst Seehofer ist jetzt der starke Mann der CSU. Parteivorsitzender und Ministerpräsident. Huber ist weg, Beckstein ist weg; Michael Glos, der in Berlin als Wirtschaftsminister am Kabinettstisch sitzt, ist eigenartig verblasst, und Peter Ramsauer, der CSU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag, hat auch einigen Grund, sich Sorgen zu machen. Jedenfalls seit der "Spiegel" verkündet hat, Seehofer plane möglicherweise Veränderungen, was die Spitzenämter der CSU in Berlin anbetreffe. Tatsächlich hat es Seehofer ostentativ offengelassen, ob er Ramsauers Namen auf Platz eins der bayerischen Landesliste für die im Herbst anstehende Bundestagswahl sehen will. "Die Listen", hat er gesagt, "stellen wir nächstes Jahr auf." In diesem jovialen Plauderton, den er zurzeit so gerne anschlägt.
Wer hätte das gedacht. Nie schien jemand weiter weg vom Fenster zu sein als Horst Seehofer im Sommer 2007, als er sich zur Existenz einer unehelichen Tochter und zu einer langjährigen außerehelichen Affäre bekennen musste. Und jetzt das! Vom Hallodri zum Retter in der Not! Das hat manch gut katholischen Parteifreund mit den Zähnen knirschen lassen. Aber sie haben ja keinen anderen mehr in der CSU. Jedenfalls keinen von diesem Format. Von dieser Präsenz.
Von einer Omnipräsenz, die in der Schwesterpartei schon kräftig verflucht wird. Erst hat Seehofer Merkels CDU mit der Pendlerpauschale gepiesackt, jetzt sind es Steuersenkungen, die er fordert. Und zwar zweistellige. Entlastungen "zwischen zehn und 25 Milliarden" stellt der Ingolstädter sich vor. Die Bayern, sagt er, wollten nicht "dass man endlos schwätzt" - die wollten endlich Taten sehen. Und zwar spätestens im Januar!
"Die Renaissance der sozialen Marktwirtschaft wird von München ausgehen!" Solche Sätze sagt er jetzt. Oder dass man "Schulter an Schulter" mit der CDU stehe, auch wenn das nun wirklich niemand glaubt.
Er ist wieder obenauf. Getragen von der Welle des Erfolgs. Nie hat Seehofer entspannter gewirkt, nie zuvor hat ihm das Politikerleben mehr Spaß gemacht als heute. Er ist Bundesgesundheitsminister und Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz gewesen, aber was ist das schon, wenn man eigentlich in die Bayerische Staatskanzlei einziehen will!
Am 27. Oktober, unmittelbar bevor er zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern gewählt wurde, hat Horst Seehofer gesagt: "Das ist der schönste Moment in meinem Leben." Und so, wie er lächelte, konnte niemand einen Zweifel daran haben, dass das die reine Wahrheit war. Dass seine Frau Karin und zwei der drei Kinder auf der Besuchertribüne Platz nahmen, schien Seehofers Triumph vollkommen zu machen. Heute klatschen ihm in der CSU selbst jene zu, die ihn immer für eine Diva gehalten haben. Für einen ewigen Außenseiter. Für einen gefährlichen Einzelgänger.
"Im Moment", meint Seehofer dazu milde lächelnd, "sind wieder alle mit mir in die Schule gegangen." Und fügt hinzu, dass er die Zeiten keineswegs vergessen habe, in denen der eine oder andere die Straßenseite gewechselt habe, wenn er ihn habe kommen sehen.
Da spricht einer, der aus Erfahrung weiß, dass das Glück nicht von Dauer sein muss. Die CSU erlebt gerade schwierige Zeiten. Sie braucht neuerdings die FDP zum Regieren, und wenn sie sich bis zur Bundestagswahl nicht erholt, wird sich die Schwesterpartei die kriegerischen Töne aus München nicht länger gefallen lassen.