Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus kritisiert im Abendblatt die Entscheidung als “unerträglich“. Hier geht’s zur Bildergalerie
Hamburg/Karlsruhe. "Die Rechtslage lässt wohl kaum eine andere Entscheidung zu, als Christian Klar in Freiheit zu entlassen." Nüchtern reagierte gestern Michal Buback, Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, auf die bevorstehende Freilassung von Christian Klar. Für den Göttinger Professor spiele "es eine größere Rolle, dass ich Klars Tatbeitrag zum Attentat, dem mein Vater und seine beiden Begleiter zum Opfer fielen, nicht kenne", sagte Buback dem Hamburger Abendblatt.
Es ist ein später Sieg des Rechtsstaats. Fanatisch und skrupellos bekämpfte Christian Klar mit der Roten Armee Fraktion (RAF) vor drei Jahrzehnten das "System" - nun gibt ihm ebenjener Staat die Freiheit wieder. Kühl und korrekt hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart den einstigen RAF-Terroristen als ungefährlich eingestuft, und sogar die Bundesanwaltschaft befürwortete seine Freilassung. Am 3. Januar darf der mittlerweile 56-Jährige die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlassen - nach 26 Jahren Haft.
Eigentlich ist es Justizroutine: Die Mindesthaftzeit von 26 Jahren, die ihm das OLG einst als Sühne für seine Verbrechen auferlegt hatte, ist abgelaufen. Danach zählt nur noch die Rückfallgefahr, genauer: "Ob von Christian Klar künftig erneut erhebliche Straftaten zu befürchten sind", schreibt das OLG - und fügt lapidar hinzu: "Dies hat der Senat verneint."
Als "gute Nachricht" bezeichnete der Schauspieler Rolf Becker gegenüber dem Abendblatt die Nachricht von der Freilassung. Der 73 Jahre alte Künstler besucht Klar seit Januar 2001 regelmäßig im Gefängnis. Vor sechs Wochen war Becker zuletzt bei dem Häftling; "ich gehe davon aus, dass wir uns vor der Entlassung noch mal sehen."
Wie und ob Becker Klar bei der Bewältigung eines Alltags in Freiheit helfen wird, hängt nach Auskunft des Schauspielers ausschließlich von Klar ab. "Es beginnt eine völlig neue Etappe, eine Zeit, wo er wieder frei entscheiden kann. Bisher hat er sich von Zukunftsgedanken abgeschirmt." Eine Option wäre das Praktikum am Berliner Ensemble (BE). Intendant Claus Peymann hat sein Angebot an Klar für eine entsprechende Tätigkeit am Theater von Bertolt Brecht gestern wiederholt.
Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) dagegen bedauerte "ausdrücklich" die Haftentlassung. "Dass sich ein solch gewissenloser Gewaltverbrecher, der vielen Menschen unermessliches Leid zugefügt und sich bis heute nicht von seinen schweren Straftaten distanziert hat, bald wieder in Freiheit befindet, ist unerträglich", sagte Ahlhaus dem Abendblatt. Peymanns Jobangebot bezeichnete der Senator als "bodenlos".
Die Hamburger Justizbehörde reagierte "verwundert" auf Ahlhaus' Bemerkungen. "Über die Freilassung von Gefangenen entscheidet in Deutschland ein unabhängiges Gericht", betonte GAL-Justizsenator Till Steffen gegenüber dem Abendblatt. "Nicht die Innenminister und -senatoren der Länder."
Bundespräsident Horst Köhler hatte im Mai 2007 eine Begnadigung Klars nach einem Gespräch mit dem Häftling abgelehnt. Zuvor hatte Klar in einem TV-Interview keine Reuegefühle gezeigt.
Aus Protest gegen die OLG-Entscheidung gab der Kopilot der 1977 entführten Lufthansa-Maschine "Landshut", Jürgen Vietor, sein Bundesverdienstkreuz zurück. Das berichtet die "Bild-Zeitung.
Michael Buback will vor allem die Wahrheit zum Karlsruher Attentat wissen. "Vielleicht können ehemalige Terroristen dazu beitragen." Kontakt zu Klar werde er allerdings nicht von sich aus aufnehmen. "Andererseits würde ich den Telefonhörer nicht auflegen, wenn mir Klar etwas mitteilen möchte", so Buback.